Woher kommen Ideen? Wie formen sich Gedankenschnipsel zu einer Geschichte? Ist die ganze Geschichte auf einmal da?
Wer behaupten kann, in einem Zuge einen kompletten Film oder die gesamte Story einer Serie erfinden zu können, hat entweder verdammtes Glück – oder er lügt. Ideen kommen über Nacht, aber bis sie sich zu einer Geschichte formen, die dramaturgisch funktioniert, unterhaltsam ist und sich produzieren lässt, ist es ein weiter Weg.
Großartige Ideen kommen nicht von allein – sie müssen geformt werden, gebaut aus den vielen kleinen Bausteinen, die in ihrer Gesamtheit schließlich die Story ausmachen. Egal ob eine Geschichte brillant erscheint oder auf einer simplen Grundidee basiert – in der Regel dauert es Wochen, Monate, ja sogar Jahre, bis alles zusammenpasst und sämtliche Details stimmen.
Wie entwickelt man eine Geschichte?
Wer einen konkreten Leitfaden erwartet, wie er Schritt für Schritt sein nächstes Projekt entwickeln kann, ist hier falsch. Was für den einen Autor funktioniert, passt dem anderen gar nicht in den Kram. Was für das eine Projekt aus einer groß angelegten Recherche entstehen kann, muss für ein anderes komplett im Kopf entwickelt werden. Mit jeder Idee, jedem Projekt gehen wir einen neuen Weg der kreativen Entwicklung, und jedes Projekt stellt seine ganz eigenen Forderungen an den Entwicklungsprozess.
Wie beginnen?
Anzufangen ist manchmal schon die größte Hürde. Gerade dann, wenn uns mehrere Ideenansätze im Gehirn rumflattern, fällt es uns schwer, die richtige Entscheidung zu treffen und mit der richtigen Idee zu beginnen. Woher weiß ich, welche Idee die „richtige“ ist, mit welcher Idee ich den größten Erfolg haben kann, welches Projekt gerade jetzt das „richtige“ für mich ist?
Oftmals ist es nicht das erste, was uns einfällt. Die Suche nach dem Projekt, das ich jetzt machen möchte, gleicht manchmal der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Und häufig ist der Aspekt, der uns am meisten triggert, irgendwo in den Tiefen unseres Unbewussten verbuddelt.
Strategie #1: Die passende Idee finden
Wenn ich nicht weiß, wo ich anfangen soll und welcher meiner Ideen ich den Vorzug geben soll, fange ich an, Listen zu schreiben und Assoziationen, die ich zu den einzelnen Themen habe, zu sammeln.
Das Ziel einer solchen Liste ist nicht, alle Ideen parallel zu entwickeln. Keineswegs: Das Ziel ist, meinen Assoziationen auf den Grund zu gehen und den Stoff zu finden, der mich gerade am meisten interessiert. Je mehr wir uns für einen Stoff begeistern, um so wahrscheinlicher werden wir daran arbeiten. Mithilfe dieser Liste können wir nach und nach die Ideen ausschalten, die uns nur mäßig interessieren, die wir vielleicht noch mal auf Halde legen sollten, damit sie reifen können.
Und dann ist sie da, die eine Idee, die die Basis unseres nächsten Projekts werden soll. Aber wie geht es weiter?
Strategie #2: Fragen stellen und Recherche
Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Und die Gefahr wächst, dass wir die Idee wieder auf Seite legen, weil es uns entweder nicht schnell genug vorangeht oder wir steckenbleiben, bevor wir so richtig losgelegt haben.
In den ersten Tagen einer neuen Entwicklungsphase lassen wir der Idee freien Raum sich zu entfalten. Manchmal nimmt das Projekt auf einmal ganz neue Formen an, die wir so nicht erwartet haben. In dieser Phase ist es wichtig, alles zu notieren, das uns zum Thema einfällt – was nicht passt, lässt sich später leicht wieder loswerden.
Um der Stoffentwicklung auf die Sprünge zu helfen, ist es sinnvoll, jede Menge Fragen zu stellen. Ich stelle immer wieder fest, dass ich mit Hilfe von einfachen Fragen in dieser Phase der Entwicklung viel weiter komme als mit konkreten Ideen, wie die Story verlaufen könnte. Für die Story ist es jetzt noch zu früh.
Fragen und Hintergrundrecherchen helfen dabei, dem auf die Spur zu kommen, was den Stoff interessant macht. Das können ganz simple Fragen sein wie z.B. „Welches Transportmittel nutzt der Held, um von A nach B zu kommen?“ – je einfacher die Fragen, die wir stellen, desto mehr Information geben sie uns darüber, wie unsere Figuren ticken, nach welchen Gesetzen die Welt, die wir uns aufbauen, funktioniert, oder wie Figuren zueinander stehen. Basiert die Idee auf einer authentischen Situation oder auf der Grundlage einer real existierenden Hintergrundgeschichte, sollte dieser Background schon in einem frühen Stadium der Stoffentwicklung recherchiert werden – er kann die weitere Entwicklung befeuern.
Strategie #3: Verbündete suchen
Egal wie genial eine Idee auch sein mag – wer alleine daran arbeitet, läuft Gefahr sich schnell im Kreis zu drehen und in Kleinigkeiten zu verfangen. Ist der Stoff, an dem man arbeitet, schon einigermaßen sortiert, ist es sinnvoll, sich einen Verbündeten zu suchen. Das muss kein Co-Autor sein, mit dem man en detail an der Geschichte arbeitet. Oft hilft es schon, mit einem Kollegen oder einem guten Freund über Ideen, Ansätze und Fragen zu sprechen und eine zweite Meinung zu hören.
Je differenzierter man zu zweit das Thema betrachtet, desto mehr Output wird dabei herauskommen. Wichtig dabei ist, nicht nur an Oberfläche zu kratzen, sondern bis auf den Grund der Story und der Ideen vorzudringen und eventuelle Schwierigkeiten oder Unstimmigkeiten ans Licht zu bringen.
Strategie #4: Durchhängern offensiv begegnen
Und dann kommt der Punkt, an dem der erste Durchhänger uns einholt. Der Schreibtisch liegt voll mit anderem Zeug, das vermeintlich größere Priorität besitzt, wir schieben die Beschäftigung mit dem Stoff auf, und überhaupt: Ist der Stoff wirklich so gut, wie wir immer dachten?
Ein klassisches Szenario, dass jeden Autor von Zeit zu Zeit ereilt. Je früher das allerdings passiert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Moment dem Projekt den Todesstoß versetzt. Wir können dem allerdings entgegentreten, indem wir offensiv mit dem Problem umgehen.
Weglegen ist keine Option. Manchmal muss man sich regelrecht zwingen, weiterzumachen und die Stoffentwicklung weiter voranzutreiben. Die Gründe, warum es gerade nicht so läuft, sind altbekannt: es stockt, man findet den nächsten Plot Point nicht, die Figuren sprechen nicht mehr mit uns. Ausreden sind das aber alles nicht. Weitermachen heißt die Devise. Die gute Nachricht: Es wird leichter mit der Zeit. Je mehr und öfter wir unser Gehirn darauf trainieren, sich zu konzentrieren und bei der Sache zu bleiben, desto leichter fällt es. Auch wenn das am Anfang vielleicht bedeutet, nur einen einzigen Satz pro Tag aufs Papier zu bringen.
Auch in diesem Stadium kann es übrigens helfen, auf den Verbündeten zurückzugreifen und sich einen Partner ins Boot zu holen, mit dem man über alles spricht, was gerade nicht gut läuft.
Am Ball bleiben
Nicht aufgeben und am Ball bleiben – das ist neben einer in sich funktionierenden Story die eigentliche Herausforderung bei der Entwicklung. Ich führe mir dann das Ziel vor Augen: das fertige Projekt, das ausgeschriebene Drehbuch, das vor mir auf dem Tisch liegt. Das Drehbuch, das eine Geschichte erzählt, die Menschen erreichen will. Der Weg dahin ist steinig und tut manchmal auch weh. Aber er ist es wert.