Der Umgang mit Entscheidern: der erste persönliche Kontakt

Es ist wie der Anfang eines neuen Filmes: Schauplatz der Sender oder die Firma. Hauptfigur, der Protagonist, du selber, der Autor. Gegenspieler, Antagonisten, die Entscheider. Thema: ein neuer Film auf der Grundlage deiner Idee, deiner Story. Machen wir es nicht zu dramatisch. Es ist die aus dem Leben bekannte Situation eines ersten Kontaktes, hier vielleicht etwas differenziert durch deine Vorleistung. Aber die tritt im ersten persönlichen Zusammentreffen zunächst zurück. Es ist deine Erscheinung, die jetzt zählt und vice versa für Dich die Erscheinung der zukünftigen Partner. Hoffentlich führen sie sich als Partner ein. Erwarten darfst du es aber nicht.

Es geht nicht zuerst um den Stoff, sondern um Ansehen und Macht.

Denn alle ersten Zusammentreffen von Menschen sind immer auch Kämpfe um Ansehen, Position, Vorherrschaft, Führung, Unterordnung, Revierhoheit. Stärker wäre deine Position, wenn du als arrivierter, bereits reich gewordener Autor (wahrscheinlich von Bestseller-Romanen!) die Produzenten und Redakteure in deine Villa einladen könntest. Jetzt ist es aber so, dass du ihr Reich betreten hast. Diese Orte, wenn man mal von öffentlich-rechtlichen Redaktionsstuben absieht, haben ja immer etwas Imponierendes. Meist bekommst du Filmplakate und Fotos von Filmszenen zu sehen. Das gehört zum Business. Also solltest du ruhig eine Bemerkung machen, etwa in dem Sinne Diesen Film habe ich sehr gemocht!

Man hat Platz genommen, dich nach deinem Getränkewunsch befragt, schnell ist Kaffee da und jetzt hast du die Chance einen small talk zu beginnen, der noch gar nichts mit deinem Projekt zu tun haben muss. Ob es das Wetter ist oder die Schlagzeile der Zeitung oder das letzte Film oder TV-Event, all das benutzt du jetzt, um deine Gegenseite kennen zu lernen und dich selbst erst einmal auf unverkrampfte Art zu präsentieren.

Es ist unendlich viel, was wir, unbewusst, vom jeweils anderen aufnehmen. Sympathie und Antipathie stellen sich in Millisekundenschnelle ein. Und für das meiste davon können wir gar nichts. Wenn du attraktiv bist, vor allem als Frau, hast du einen Vorteil. Mir ist übrigens in meiner Zeit bei der Drehbuchwerkstatt der Hochschule für Film und Fernsehen München aufgefallen, dass bei der Auswahl eine Rolle gespielt haben muss, dass sich alternde Männer gerne mit jungen Frauen umgeben. Es waren immer mindestens 70% Frauen. Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass Frauen zum Schreiben mehr Begabung mitbringen. Wenn du nicht so attraktiv bist, weißt du sicher aus Deiner Lebenserfahrung, wie du das kompensieren kannst. Mürrische Ausstrahlung kannst du dir jedenfalls nicht leisten. Vielleicht kannst du einen gewissen Witz ins Feld führen, oder Wärme und Freundlichkeit ausstrahlen. Es gibt nur eine Haltung, die falsch ist: zu große Bescheidenheit, Demut, Unterwürfigkeit. Das geht gar nicht.

Es gibt nur eine Haltung, die falsch ist: zu große Bescheidenheit, Demut, Unterwürfigkeit.

Es ist wie bei der Waage auf dem Kinderspielplatz. Sitzt du zu tief, sitzt der andere zu hoch. Partnerschaft bedeutet, dass beide etwa auf der gleichen Höhe sitzen, der Idealzustand für einen Autor wäre, dass er sich mit jedem weiteren Treffen einige Zentimeter höher arbeitet. Vergiss das nie: Du hast heute eine Welt betreten, in der es von sogenannten Alphatieren nur so wimmelt.

Noch etwas: selbstverständlich wirst du eine gepflegte Erscheinung bieten. Die Branche fühlt sich als Business und mag keine verpennten Künstler. Du wirst auch nicht deinen jetzigen finanziellen Status offen legen. Die Branche mag Winner und ist Loosern gegenüber skeptisch. Das hier zu schreiben tut mir weh, weil es so bitter an der Situation von Kunstschaffenden vorbeigeht. Das Problem ist: Du bist ein Künstler, musst es sein, solltest es aber nicht ausstellen.

Die Branche fühlt sich als Business und mag keine verpennten Künstler.

Nach ungefähr einer Viertelstunde wird deine Gegenseite langsam zur Sache kommen. Man wird dich und deine Geschichte mit den ersten Sätzen sicher loben, sonst hätte man dich ja nicht kommen lassen. Jetzt musst du, und das wirst du wohl automatisch tun, ganz genau zuhören.

Ein Lob kann auch falsch sein in zwiefachem Sinne: es kann verlogen sein und zum anderen an deinem Geschriebenen vorbei gehen, es nicht treffen. Sei wach, ventiliere, was das Gesagte für dich bedeutet und schaff dir Zeit für deine Antworten. Die wollen überlegt sein und zumindest in Teilen taktisch. Du musst einfach herausfinden, was man von dir und mit dir will: Deine Geschichte so, oder im Prinzip so, aber anders? Will man dich vielleicht nur als Schreiber, weil deine Dialoge so brillant sind? Das alles schält sich langsam heraus. Wie du darauf antwortest, baut dein Standing auf, nur ein Modewort für Achtung.

Ich habe erlebt, wie sich ein blutjunger Autor durch sein Auftreten und seine ersten Worte lächerlich gemacht hat. Er erwähnte seinen Hollywood-Agenten (Lüge!), blickte in die Runde (es war die Zeit, wo die Firma drei Dramaturgen beschäftigte!) und sagte den fatalen Satz: Was wollen Sie von mir haben? – Er hatte nichts Besonderes angeboten, nur ein paar Zehnzeiler-Ideen, alle aus dem Bereich der damals brandneuen Internet-Welt. Er spürte, dass das nicht unbedingt das war, was wir erwarteten. Ich dachte damals: „Bürschchen, meinst du wirklich, dass du, noch nicht trocken hinter den Ohren, alles Mögliche schreiben kannst, jedes Genre und jedes Thema, das andere Dir vorgeben. Das kann doch nur ein Profi aufgrund langer Erfahrung.“ Das ungefähr, natürlich netter, sagte ich ihm. Er wurde entlassen mit dem Auftrag, sich eine eigene Geschichte auszudenken, nichts von dem Angebotenen, auf erstmal nur 5 Seiten. Und das war es dann auch, es kam nichts Gutes von ihm.

Genauso wichtig wie der Anfang ist das Ende der Besprechung: wie verbleibt man? – Im Idealfall bekommst du so etwas wie einen Vertrag oder einen Vorvertrag, in dem eine Geldsumme ausgewiesen ist. Es gibt keinen größeren Vertrauensbeweis. So drückt sich im Business Respekt von Produzenten aus. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass man dich, selbst bei gutem Verlauf der Besprechung, noch hinhalten wird. Erst nach der nächsten Überarbeitung von Expose oder Treatment wird es einen vollen Vertrag mit einer ersten Rate geben.

Das ist weniger Missachtung als der Situation von Produzenten geschuldet. Sie bekommen ihr Geld von den Sendern oft mit großem zeitlichen Verzug, müssen über weite Strecken eines Filmprojektes in Vorkasse gehen und sich mit sogenannten „letter of intents“ Geld bei Banken besorgen. Als mitten im Leben stehender Autor von Filmen wirst du ja so ungefähr wissen, was heutzutage im Geschäftsleben los ist.

Du stehst nun wieder vor der Tür. Im Idealfall rufst du deinen Lebenspartner an, dass er den Prosecco kaltstellen soll. Fertige für dich ein Gedächtnisprotokoll an. Im Normalfall beginnen nun in deinem Kopf schon Überlegungen zu den gewünschten Veränderungen. Setz dich aber nicht gleich an den Computer, schlaf lieber eine Nacht drüber. Deine Protokoll-Notizen kannst du ja am Abend noch einmal anschauen.

Die wichtigste Überlebensregel ab jetzt:

TU NIE ETWAS, WOVON DU NICHT ÜBERZEUGT BIST!

Auszug aus Michael Fütings eBook Im Drehbuchdschungel: Das etwas andere Buch zum Thema

Ein Kommentar

  1. Ein wunderbar geschriebener Artikel. Die Grundaussage kann ich mit meinen Erfahrungen bestätigen: Kenne deinen Wert! Sich über seinen Wert zu verkaufen, ist genau so schlecht, wie Understatement.

    13. April 2015

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