Die Erben

Wie gestern angekündigt, haben auch wir Digitalkomissar Günther Oettinger über twitter Fragen zum Urheberrecht gestellt. Auf eine unserer Fragen haben wir eine Antwort bekommen, die wichtigeren blieben leider unbeantwortet. Über eine der unbeantworteten Fragen sollten wir nachdenken: Sind Erben tatsächlich geeignet, nach dem Tod eines Autors die Urheberrechte bis zum Ablauf der Regelschutzfrist zu verwalten?

Zunächst zu unseren Fragen: Von den folgenden fünf Fragen hat Günther Oettinger leider nur eine beantwortet, die unverfänglichste Frage mit einer noch unverfänglicheren Antwort. Eine ungeschriebene Regel, dass man nur eine Frage stellen dürfte gibt es wohl auch nicht – schon in unserer kurzen Sammlung der für Autoren und Filmemacher relevanten Fragen und Antworten bekam die Federation of European Publishers zwei Fragen beantwortet.

Unsere Fragen:

  • Warum verlängern wir das Urheberrecht über den Tod des Autors hinaus?
  • Wie entscheidet man, um wieviele Jahre wir das Urheberrecht verlängern sollten?
  • Verlängern wir das Urheberrecht, um die Preise von Autoren zu drücken?
  • Sind Erben von Autoren am Besten dazu geeignet, die Rechte zu verwalten?
  • Wer profitiert von einem umfangreichen gemeinfreien „Werke-Pool“?

Günther Oettingers Antwort:

.@filmschreiben The right balance is important. Public domain benefits both citizens and creators #AskOettinger — Günther H. Oettinger (@GOettingerEU) 26. Februar 2015

(An dieser Stelle hatte ich ursprünglich nur unsere Frage eingebunden, nicht Oettingers Antwort. Entschuldigt!)

Überlegungen, warum wir das Urheberrecht verlängern, also warum es Schutzfristen gibt, und welche Längen sinnvoll sind, haben wir hier schonmal gemacht. Das vorläufige Ergebnis: Vielleicht 10 Jahre, damit im Fall, dass ein Autor kurz nach der Fertigstellung eines Werks stirbt, der Verleger nicht viel Geld in ein Werk gesteckt hat, dass plötzlich gemeinfrei ist. Dafür sollten 10 Jahre wirklich reichen.

Vererben sollte ein Autor lieber Vermögen statt Rechte, wie alle anderen auch, dafür muss er natürlich zu Lebzeiten anständig bezahlt werden. Wir erinnern uns: Die EU-Berichterstatterin für die Evaluation des Urheberrechts mutmaßte im Interview mit der Süddeutschen (Link), dass mit dem Versprechen der Schutzfristen die Preise des Autors gedrückt würden. Solange bei mir neue Erkenntnisse zum Sinn der Regelschutzfrist ausbleiben (mit meiner Frage an Günther Oettinger hatte ich versucht, mehr zu erfahren, leider vergeblich), halte ich an diesen 10 Jahren fest.

Nun zu der interessantesten Frage: Sind unsere Erben tatsächlich geeignet, nach unserem Tod unsere etwaigen Urheberrechte zu verwalten? Mit einem Blick in die Vergangenheit, aus der versuchen wir ja gewöhnlich zu lernen: Vermutlich nicht. Besitzt ein Einzelner die Gewalt über ein Werk, ist das ein Problem. Manchmal schon zu Lebzeiten des Autors, siehe Star Wars. Aber besonders nach seinem Tod: Denn wer garantiert, dass Erben im Sinne des Autoren handeln? Genau, niemand. Es gibt kein Amt, dass überprüft, wie Rechteinhaber mit ihren Rechten umgehen, und im Extremfall im Sinne des Werkswohls das Werk in die Gemeinfreiheit adoptieren.

Das provoziert Streit, wie derzeit bei Frank Castorfs (Wikipedia) Inszenierung von Bertolt Brechts Baal. Der Suhrkamp-Verlag geht im Namen der Brecht-Erben gerichtlich gegen das Müchener Residenztheater vor, hat eine Absetzung des Stücks erreicht: Die Inszenierung mit ihren vielen Fremdtexten sei eine nicht autorisierte Bearbeitung des Stücks. (Quelle: Süddeutsche.de.) Wer kann entscheiden, ob das im Sinne Brechts ist? Das Gesetz sagt: Die Erben. Am 2027 sagt es: Wir alle. Das wird ein merkwürdiger Sinneswandel.

Es gibt andere Beispiele, bei denen die Erben wohl nicht im Sinne des Künstlers gehandelt haben. Der Karl-May-Verlag bearbeitete Mays Texte nach Belieben, bei den Bearbeitungen sei »oft kaum ein Wort auf dem anderen geblieben« (Quelle: Helmut Schmiedt). Jane Austens Schwester vernichtete ihre Briefe, von ungefähr 3000 sind noch rund 160 erhalten (Quelle: Wikipedia). Der Erbe von James Joyce versuchte bis 2012 das Zitieren aus Werken seines Großvaters zu verhindern, auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen (Quelle: Wikipedia). In einer Arbeit zum Thema wird ein ähnliches Verhalten bei den Nachlassverwaltern von T.S. Elliot, J.R.R. Tolkien, J.M. Barrie, J.D. Salinger, Sylvia Plath, Samuel Beckett, und wieder: Bertolt Brecht beobachtet (Quelle: Deven R. Desai, Georgia Institute of Technology).

Das letzte Wort hat Mark Twain. Ich kann es nur ironisch verstehen, aber ich habe in meiner Recherche hierfür oft gesehen, dass es als Verteidigung der Regelschutzfrist gelesen wird. Entscheidet selbst:

My copyrights produce to me annually a good deal more money than I have any use for. But those children of mine have use for that. I can take care of myself as long as I live. I know half a dozen trades, and I can invent a half a dozen more. I can get along. But I like the fifty years‘ extension, because that benefits my two daughters, who are not as competent to earn a living as I am, because I have carefully raised them as young ladies, who don’t know anything and can’t do anything. So I hope Congress will extend to them that charity which they have failed to get from me.

We can cover that by a line of dialogue...

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