Joker & the Steve

Der Trickster ist eine Erzählfigur, die machtlos gegen die Mächtigen kämpft. Um Donald Trump und seine Wähler ein bisschen besser zu verstehen, hilft auch ein Blick auf Film, Literatur und Mythologie.

»Trickster« ist die Bezeichnung für einen Archetyp in der analytischen Psychologie von C. G. Jung, Bild wiederkehrender Erfahrungen durch uns und die Menschen, die vor uns lebten, Leben erfuhren und aus diesen Erfahrungen Erzählungen machten.

Die Figur des Trickster ist uns bekannt, laut Jung als Teil des kollektiven Unterbewussten. Aber auch als Teil unserer Bewusstheit: Jung hat uns die Archetypen beschrieben, Joseph Campbell sie als Teil eines archetypischen Monomythos verstanden, Christopher Vogler hat daraus unser heutiges Modell der Heldenreise entwickelt, das oft unsere filmdramaturgische Arbeit und ihre Ergebnisse (und damit wieder unsere Erfahrungen) bestimmt.
Erst die Machtlosigkeit rechtfertigt den Trickster
Der Trickster ist eine Erzählfigur, die machtlos gegen die Mächtigen kämpft. Die Chaos stiftet in einer Ordnung, die ihm aufgezwungen wurde, die sich gegen seine Unterdrückung stemmt. Das tut er, indem er trickst, täuscht, hereinlegt. Tricks sind das einzige Instrument der Ohnmächtigen gegen die Mächtigen.

Und erst das Machtgefälle rechtfertigt den Trick. Die Erklärung der eigenen Ohnmacht ist notwendiger Teil unserer Rechtfertigung, wenn wir tricksen. Wenn wir Regeln unterlaufen, statt sie zu ändern. Wenn wir Steuern hinterziehen oder Marihuana verstecken, möchten wir das damit begründen, dass wir ja gar keinen Einfluss auf die Regeln nehmen könnten, selbst wenn wir wollten.

Diese Art der Rechtfertigung funktioniert in der Götterherrschaft antiker Mythologien oder im Feudalismus des Mittelalters, in deren Erzählungen wir Trickster eher verorten natürlich besser als in den Demokratien von heute.
Der Narr verspottet die Mächtigen
Dass sie (wieder) funktioniert, liegt dementsprechend vermutlich auch an einer Rückentwicklung unserer Möglichkeiten der Mit- und Selbstbestimmung. Selbst Parlamentarier, die wir ja zum Bestimmen beauftragt haben beklagen, dass sie bloß noch abstimmen können über Beschlüsse, die inhaltlich ausschließlich in Ministerien entwickelt werden.

Unternehmen, die immer intensiveren Einfluss auf unser Leben nehmen sind nicht einmal oberflächlich demokratisch organisiert und verstehen es als sogar als ihren Auftrag, sich im Sinne des Gewinns einem Einfluss der Konsumenten zu entziehen. Dass da die mögliche Abgabe der wenigen verbliebenen Macht an supranationale Institutionen verängstigt, dürfte niemanden verwundern.

There’s too much confusion, / I can’t get no relief. / Businessmen, they drink my wine, / Plowmen dig my earth. / None of them along the line / Know what any of it is worth.
Bob Dylan: All Along The Watchtower. (YouTube)

Apropos Mittelalter. Jung schreibt mit Bezug zum Trickster auch über das Phänomen der Kinderbischöfe, die im Mittelalter für einen Tag im Jahr gewählt wurden. Zurück zu Trump.

Trump ist ein Narr (Wikipedia: „sehr unreif, dumm, tollpatschig, voreingenommen, vorurteilsbehaftet und ignorant“) und das wissen wir alle. Das Problem: Diese Feststellung kann ihm nicht schaden, sie hilft ihm sogar. Denn der Narr verspottet die Mächtigen.
Das Scheitern des Narrs ist Beweis für Unterdrückung
Der Narr ist die Rache der Ohnmächtigen an den Mächtigen und so sollen wir Trump verstehen. Er ist dabei genauso Rache an den Mächtigen der Demokratischen, wie der Republikanischen Partei. Die mit dem Narr und Trickster assoziierte Spielkarte Joker entstand wohl nicht ohne Grund als Trumpfkarte, Trump Card, im amerikanischen Bürgerkrieg: Sie gewann selbst gegen die Mächtigen, gegen Damen und Könige, und gehörte aber keiner Farbe an.

Um an ein Zitat über einen der jüngeren Trickster unserer Erzählgeschichte zu erinnern:

Elizabeth: Auf wessen Seite steht Jack?
Will: Im Moment?
Ted Ted Elliott, Terry Rossio, Stuart Beattie, Jay Wolpert: Fluch der Karibik.

Für Trump und seine Wähler ist Trump Joker, Narr, und Trickster (frz. Tricher = beim Spiel betrügen, mogeln): Widerstand der Ohnmächtigen gegen die Unterdrückung durch die Mächtigen. Dass es in Demokratien Mächtige gibt, ist dabei das eine Problem, dass sich Menschen als ohnmächtig verstehen, das andere.

Das dritte: Der Narr kann keine Fehler machen. Scheitert der Narr, ist das der letzte Beweis für die Unterdrückung durch die Mächtigen. Hat er trotz seiner behaupteten Machtlosigkeit (als Präsident der Vereinigten Staaten, so eine Argumentation hätte man sich früher kaum vorstellen können) Erfolg, ist das Beweis für die Illegitimität von Macht.
Ein Akt der Emanzipation, der dem Selbstverständnis als Ohnmächtiger widerspricht
Tatsächlich muss Trickster Trump (Jung: „ein getreues Abbild eines noch in jeder Hinsicht undifferenzierten Bewusstseins, welches einer der tierischen Ebene noch kaum entwachsenen Psyche entspricht.“) gar nicht selbst gestalten, es reicht die Gestaltung durch andere zu behindern. Das ist seine Rache an den Mächtigen, das sind seine Erfolge. Er genügt sich darin, und auch seinen Wählern genügt das.

Trump ist nicht wie der Trickster Prometheus – schon gar kein Prometheus, Vorausdenkender, im Wortsinn – der den Göttern das Feuer stiehlt, um es den Menschen zu bringen. Ein Akt des Empowerments – dass ich hier ausnahmsweise und bitte ohne nationalsozialistische Assoziation mit Ermächtigung übersetzen möchte – und der Emanzipation, der Trumps Selbstverständnis als Ohnmächtiger völlig widerspräche. Seine Aufgabe, wie er sie versteht, erschöpft sich allein im Stehlen des Feuers – oder vielleicht im Löschen.

Ich bin der Geist der stets verneint! / Und das mit Recht; denn alles was entsteht / Ist werth daß es zu Grunde geht.
Mephistopheles. Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Eine Tragödie. (Wikisource)

Ich wage hier die Vorhersage, dass Trump an irgendeinem Punkt seiner Präsidentschaft zurücktreten wird. Weil er so einer Machtausübung über seine Person – sei es bei einer Amtsenthebung durch das Parlament oder einer Abwahl durch die Bevölkerung – zuvorkommt. Weil er so ein letztes Mal Gestaltung verhindert – für ihn und seine Wähler ein Erfolg.

Die Frage der Gestaltung, die Frage autoritärer Arbeit, führt zum vierten Problem:
Trump ist gar kein Trickster
Trump ist gar kein Trickster. Er nimmt sich so wahr und wird von seinen Wählern so wahrgenommen. Doch: Weder Trump noch seine Wähler sind in irgendeiner Form antiautoritär. Sie sind autoritäre Persönlichkeiten durch und durch. Sie haben kein Problem mit Macht und ihrer Ausübung, sondern ein Problem mit den Mächtigen. Ihr Problem: Sie sind nicht die Mächtigen. Das Motiv ist Neid.

Trump ist eher ein umgekehrter Einstein: „Um mich für meine Liebe zur Autorität zu bestrafen, machte mich das Schicksal zu allem anderen als das.“ Nicht Teil der Elite zu sein, die er und seine Wähler anprangern verletzt. Die gemeinsame Reaktion ist Rache.

Hermes, der antike Schutzgott der Hirten, der Führer, ist auch Schutzgott der Diebe, Gott der Rhetorik und sein Geschenk an die Menschen zur Rache an Prometheus ist die Lüge und das Schmeicheln – der Populismus, würde man wohl heute sagen. Er ist selbst ein Trickster, der vor Gericht log und einen falschen Schwur auf seine Unschuld ablegte.
Alles Erzählen hilft nicht tatsächliche Probleme zu lösen
Diese Antimoral ist möglicherweise ein Ansatz um gegen Trump und ähnliche Phänomene auf der ganzen Welt erzählerisch vorzugehen: Den vermeintlichen Trickster als neidischen Opportunisten zu entlarven. Die verbreitete Wahrnehmung der eigenen Machtlosigkeit, die das Tricksen rechtfertigt, in Frage zu stellen.

Und zu zeigen, wer die tatsächlich Mächtigen sind, gegen die auch destruktiver Widerstand sinnvoll sein kann, und welcher Widerstand sich letztlich nur gegen andere Ohnmächtige oder einen selbst richtet. Auf solche Fragen wird es verschiedene Antworten geben, es sollten in jedem Fall gute – quasi promethische, durchdachte, – Antworten sein.

Alles Erzählen hilft jedoch nur, die Wahrnehmung zu verändern, nicht, tatsächliche Probleme zu lösen. Da sind wir als Schriftsteller machtlos – nicht jedoch als Mitglieder dieser Gesellschaft, die Autoren von Veränderungen sein können.

Bildquelle: Wikimedia, CC BY-SA 4.0.
Titelmusik: Wolfmother – Joker & the Thief. (YouTube)
Hörtipp: Mark Hamill, Luke Skywalker und amerikanischer Synchronsprecher des Jokers in der Batman-Zeichentrickserie liest Trump’s Tweets: audioBoom.

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