Schlecht sein dürfen

Ob man gute oder schlechte Geschichten schreibt, erfolgreich oder erfolglos ist, Spaß am Entwickeln und Schreiben hat oder immer wieder frustriert davon ist, hängt weniger vom dramaturgischen Wissen und noch weniger vom Talent ab als vielmehr von der geistigen Einstellung, der Haltung dem Schreiben, aber vor allem sich selbst gegenüber.

Bei vielen Autorinnen und Autoren herrscht ein enormer Perfektionismus einhergehend mit einem gerne lauten inneren Kritiker. Perfekt sein zu wollen in einem Gebiet, in dem es keine Perfektion gibt, in dem keine objektiven Maßstäbe Qualität messen können, sondern das Geschmäcklerische viel zu oft dominiert (und leider viel zu oft mit dramaturgischen Argumenten und objektiven Kriterien verwechselt wird), ist gelinde gesagt ungünstig. Es gibt keine perfekte Geschichte, keinen perfekten Roman und keinen perfekten Film. Was also tun mit dem hauseigenen Perfektionismus?

Den inneren Kritiker bekämpfen macht keinen Sinn. Zumal er eine wichtige Funktion hat. Wir brauchen ihn. Nur eben zur richtigen Zeit. Und die ist nicht, wenn man gerade schöpferisch ist, Ideen generiert, den Flow entfacht. Hier bremst er nur aus. Später wird er wichtig, wenn es gilt, die Ideen zu bewerten und die beste zu finden. Man muss also wissen, in welcher Phase des kreativen Prozesses man sich gerade befindet, und den inneren Kritiker bitten, in der schöpferischen Phase die Klappe zu halten.

Eine andere sehr gute Möglichkeit, nicht nur einen produktiven Umgang mit dem inneren Kritiker zu finden, ist das Führen eines Arbeitsjournals. Das Arbeitsjournal ist eine Art Tagebuch, in dem man sein Arbeiten dokumentiert. Hier kann man dem inneren Kritiker freien Lauf lassen, hier darf er sich auskotzen, und nachdem er es getan hat, ist in der Regel auch erst einmal Ruhe für eine Weile. Sich frei schreiben, Belastendes, Ärgerliches, den ganzen Alltags- und sonstigen Mist wegschreiben, darum geht es im Arbeitsjournal.

Was aber geradezu unerlässlich ist, um einen guten Umgang mit dem inneren Kritiker und vor allem mit sich selbst zu finden, ist eine Erlaubnis, die man sich geben sollte, nämlich die Erlaubnis, schlecht sein zu dürfen. Es macht keinen Sinn, permanent gut sein zu wollen. Wer immer gut sein will, dem ist nie etwas gut genug. Man muss sich deshalb die Erlaubnis geben, schlecht sein zu dürfen. Dann kann sich fast die gesamte Schreibwelt auf den Kopf stellen. Man ist entspannter und hat mehr Spaß am Schreiben. Ohne sich groß Gedanken zu machen, einfach drauf los schreiben. Schreiben um des Schreibens Willen. Es ist egal, was dabei herauskommt. Denn man darf schlecht sein. Das Paradoxe ist: Meistens ist das, was dabei herauskommt, ziemlich gut, besser jedenfalls als das, was heraus gekommen wäre, wenn man krampfhaft versucht hätte, gut zu sein.

Schlecht sein gehört zum kreativen Geschäft. Das ist in jedem künstlerischen Beruf so. Autorinnen und Autoren sind keine Maschinen. Es läuft nicht immer gut. Manchmal läuft es super, manchmal beschissen. Und es geht darum, die beschissenen Tage zu genießen, locker zu bleiben, sich zu sagen, okay, heute ist ein Misttag, dann mache ich halt, was geht und überarbeite es morgen, nichts ist verloren.

Vor allem sind solche Tage kein Grund, an sich selbst zu zweifeln, am eigenen Talent, an der eigenen Kreativität. Das wäre der falscheste Fehlschluss überhaupt. Und es würde den inneren Kritiker bestätigen und ihm sogar auf lange Sicht zum Sieg verhelfen. Denn die Konsequenz wäre, irgendwann das Schreiben aufzugeben.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem inneren Kritiker? Ist er wild und ungestüm oder arbeitet er mit Ihnen zusammen? Schreiben Sie uns. Es interessiert uns. Und viele andere Leserinnen und Leser sicher auch.

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