Theorie tl;dr: Über Aristoteles

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute »Aristoteles oder Der Philosoph als Mann von Welt« aus Die philosophische Hintertreppe von Wilhelm Weischedel.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

Wilhelm Weischedel: #Aristoteles erklärt Erkenntnis zum intrinsischen Ziel des Menschen. In der #Erkenntnis liegt die #Selbstverwirklichung. — filmschreiben (@filmschreiben) 26. August 2016

In 50 Worten (Was ist das?): Weischedel sagt, Aristoteles sagt, der Mensch strebe auf ein Ziel hin, die Selbstverwirklichung seines Wesens. Dieses Ziel ist sein Zweck. Sein Wesen ist die Vernunft, genauer: die Welt zu erkennen. Das sei der Sinn des menschlichen Daseins. Diese Selbstverwirklichung ist Anstoß der ersten Bewegung, die andere Bewegungen anstieß, ist Gott.

Die Erkenntnis: Aristoteles hat sein philosophisches Werk mit Dramaturgie-Buzzwords suchmaschinenoptimiert. Bewegung, Streben, Ziel, Erkenntnis – das klingt nicht nur in meiner, sondern auch in Weischedels Zusammenfassung so. Und das Aristoteles-Kapitel seiner »philosophischen Hintertreppe« hat weitere Gedanken, die auch über die Poetik hinaus interessant und wertvoll für Filmdramaturgen und Erzähler sind.

Aristoteles erkennt in der Welt eine ständige Bewegung, alles strebt auf etwas hin. Und Streben setzt ein Ziel voraus. Weischedel oder Aristoteles vergleicht das mit der Liebe: Liebe würde ja ebenfalls erst durch das Objekt erwirkt, auf das sie sich richte. (Ein Gedanke: Vielleicht muss da ja gar nicht unterschieden werden. Also, wenn es ein eher unerklärliches Streben gibt, dann ja wohl Liebe?)
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Für Aristoteles ist dieses Ziel die Selbstverwirklichung. Und beim Menschen heiße das: Die Selbstverwirklichung als vernunftbegabtes Wesen, denn das sei es ja, was ihn von anderen Lebewesen unterscheide. (Interessantes Weltbild: Diese Unterschiedlichkeit zu anderen Lebewesen müsse ja einen Sinn haben.) Diese Festlegung auf die Vernunft als Merkmal der Unterscheidbarkeit ist vermutlich durchaus strittig (wo wir vielleicht wieder bei der Liebe sind?). Aber der griechische Logos ist zumindest etwas weiter gefasst: Er bezeichnet die Fähigkeit zur Erkenntnis.

Das Zitat:

Wenn nun Aristoteles sagt: der Mensch ist das Wesen, das den Logos besitzt, dann heißt das: seine Bestimmung ist es, die Welt zu erkennen. Nicht also Weltbeherrschung, wie im neuzeitlichen Denken, sondern Welterkenntnis ist für Aristoteles und für das griechische Denken überhaupt der Sinn des menschlichen Daseins.

Von besonderem Interesse ist vielleicht Aristoteles‘ Behauptung, „die höchste menschliche Lebensform sei die des Erkennenden, nicht aber die des Handelnden.“ An der werden sich mit Sicherheit schon andere aufgehängt haben, vielleicht verstehe ich sie in der Kürze auch falsch. Aber worin der Zweck einer Erkenntnis liegen soll, die nicht zu einer Handlung führt, erschließt sich mir nicht. Aber vielleicht ist das auch wieder nur der Dramaturg in mir, der die überflüssigen Szenen streichen will.

Das letzte Wort:

Aristoteles aber will lieber nach Athen gehen. Die Familie lässt ihn denn auch ziehen, nicht ohne vorher das Orakel befragt zu haben, was er denn dort tun solle, und die göttliche Antwort erhalten zu haben, er solle Philosophie studieren. Nicht auszudenken, wie die abendländische Geistesgeschichte sich entwickelt hätte, wenn das Orakel anders gesprochen hätte.

Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe. Aristoteles oder Der Philosoph als Mann von Welt. Den Text gibts scheinbar nicht im Internet, dafür in vermutlich jeder Stadtbibliothek. Eine Leseprobe des ersten Kapitel gibts beim Verlag, eine Art Hörbuch mit zweifelhafter Legalität, dafür überraschend angenehmer Stimme bei YouTube.

We can cover that by a line of dialogue...

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