Theorie tl;dr: Über das Überheben

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute das Kapitel „Die Ausnahmen“ aus dem Artikel Einige Charaktertypen aus der psychoanalytischen Arbeit von Sigmund Freud.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

#Freud: Gekränkter Narzissmus als Rechtfertigung für Überheblichkeit. Das Leben habe sich an ihnen schuldig gemacht, nun begleichen sie sie. — filmschreiben.de (@filmschreiben) 12 November 2014

In 50 Worten (Was ist das?): Menschen, die sich über andere erheben glauben, erlebtes Unrecht, erfahrene Ungerechtigkeiten legitimierten sie dazu. Soziale Normen werden von anderen erwartet, von ihnen selbst unterlaufen. Weil sie unschuldig benachteiligt wurden, in der Kindheit oder durch die Geburt, nehmen sie für sich in Anspruch, eine Ausnahme zu sein. Überhöhung: Shakespeares Richard III.

Die Erkenntnis: Freud mag Shakespeare. Im hier besprochenen ersten Kapitel des Artikels, „Die Ausnahmen“, zieht Freud Richard III. als Beispiel heran, im zweiten, „Die am Erfolg scheitern“, das wir vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt hier besprechen, Macbeth.

Richard sei „eine gigantische Vergrößerung dieser einen Seite, die wir auch in uns finden,“ denn „wir glauben alle Grund zu haben, dass wir mit Natur und Schicksal wegen kongenitaler und infantiler Benachteiligungen grollen.“ Richard III. ist seit seiner Geburt körperlich behindert, was er als ungerechte Benachteiligung empfindet, als eine Schuld der Natur, des Schicksals, des Lebens ihm gegenüber. Und er glaubt, Anspruch auf eine Entschädigung zu haben. Er glaubt im Gegenzug selbst schuldig werden zu dürfen, an anderen, und wird es. „Ich darf selbst Unrecht tun, denn an mir ist Unrecht geschehen […].“

Das Zitat: Liebe, die große Erzieherin –

Neben der Lebensnot ist die Liebe die große Erzieherin, und der unfertige Mensch wird durch die Liebe der ihm Nächsten dazu bewogen, auf die Gebote der Not zu achten und sich Strafen für deren Übertretung zu ersparen.

Von besonderem Interesse ist vielleicht der Schlusssatz des Kapitels: Der Anspruch der Frauen auf Vorrechte und Befreiung beruhe auch auf früher Benachteiligung.

Wie wir aus der psychoanalytischen Arbeit erfahren, betrachten sich Frauen alle als infantil geschädigt, ohne ihre Schuld um ein Stück verkürzt und zurückgesetzt, und die Erbitterung so mancher Tochter gegen ihre Mutter hat zur letzten Wurzel den Vorwurf, dass sie sie als Weib anstatt als Mann zur Welt gebracht hat.

Davon kann man erst einmal halten was man will. Der Gedanke ist aber interessant. Er nimmt uns als Gesellschaft nämlich sehr in die Pflicht. Ich kann kaum sagen, inwiefern Freuds Aussage 1916 gültig war, ich bin mir aber sicher, dass das, was er mit dieser Aussage zu beobachten glaubte, mit der Zeit abgenommen hat. Es mag damals tatsächlich irgendwo tief im Unterbewusstsein eine frühe Kränkung gewesen sein, sich als Frau zu erkennen. Ich glaube nicht, dass es heute noch eine Kränkung ist, oder noch so sehr.

Und das hieße dass die Gesellschaft durch Gleichberechtigung und Akzeptanz solche Kränkungen abbauen kann. Das wiederum hieße, dass vielleicht irgendwann selbst Richard III. es nicht mehr als Benachteiligung ansehen müsste, mit einer körperlichen Behinderung geboren worden zu sein. Wahnsinn. Und unsere Verantwortung.

Gutes Schlusswort:

Es ist aber eine feine ökonomische Kunst des Dichters, dass er seinen Helden nicht alle Geheimnisse seiner Motivierung laut und restlos aussprechen lässt. Dadurch nötigt er uns, sie zu ergänzen, beschäftigt unsere geistige Tätigkeit, lenkt sie vom kritischen Denken ab, und hält uns in der Identifizierung mit dem Helden fest.

Sigmund Freud: Einige Charaktertypen aus der psychoanalytischen Arbeit (beim Project Gutenberg).

We can cover that by a line of dialogue...

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