Theorie tl;dr: Über Liebe in Komik

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute der Essay „Eine Vision von Menschlichkeit: Komik und die Logik des Humanen in Roberto Benignis Das Leben ist schön.“ von Matthias N. Lorenz aus Die Filmkomödie der Gegenwart (ein Titel, der wirklich sehr schnell altert).

In 140 Zeichen (Was ist das?):

Matthias N. Lorenz: Komik angesichts von Schrecken wirkt, weil sie Erwartungen bricht, weil sie uns erschreckt – wie in Das Leben ist schön. — Arno (@filmschreiben) 10. Juni 2015

In 50 Worten (Was ist das?): Roberto Benignis Das Leben ist schön und die Kritik an der Komik im Holocaustfilm sind ein Verhandeln unseres Umgangs mit dem Schrecken. Die Komik schafft erst die Fallhöhe für den Ernst; der Bruch mit unseren Erwartungen an die überhöhte Komödie macht uns verletzlich und erst empfänglich für die notwendige Tragödie.

Die Erkenntnis: Matthias N. Lorenz (Wikipedia) beschreibt die Diskussion der Komik im Angesicht der Shoah, wie sie bei Erscheinen von Das Leben ist schön wohl unter den Kritikern stattfand (bei den amerikanischen scheinbar deutlich zwiespältiger, als bei den deutschen). Er versteht sie als ein Verhandeln von Grenzen des erlaubten Umgangs mit der Shoah. Benignis Ansatz war neu, nicht bei der komischen Bearbeitung des Nationalsozialismus, sondern bei einer komischen Bearbeitung der Vernichtungslager.

Und sie hat Sinn: Die Wiederverwendung komischer Elemente des ersten Teils im zweiten Teil, jetzt im Kontext des Konzentrationslagers, erschreckt uns. Komik wird zum Akt verzweifelter, fast sinnlos scheinender Menschlichkeit und der Liebe des Vaters für seinen Sohn. Und erst die vermeintliche Komödie des ersten Teils schafft Zuschauererwartungen, mit denen der zweite Teil dann bricht, uns wieder erschrickt, verletzlich macht, öffnet. Der Protagonist einer Komödie stirbt nicht? Doch, natürlich: Die Endlösung sollte eine Endlösung sein, die Nationalsozialisten haben niemanden verschont.

Lorenz empfindet die Komik des Endes als zynisch: Der amerikanische Panzer, von dem Giosuè glaubt, er sei der Preis für das Gewinnen des Spiels. Ich finde, hier wird die Liebe des Vaters belohnt. Hier erhält die zuvor so sinnlos erscheinende Menschlichkeit ihren Sinn zurück. Die Anstrengungen des Vaters, die so hilf- und sinnlos schienen, weil ihr Gelingen so unwahrscheinlich, so unmöglich war, sind doch erfolgreich gewesen: Giosuè hat überlebt.

Das Zitat:

Diese Perspektive, die die Logik der Faschisten nicht anerkennt, ist nur durchzuhalten, indem im Gegenzug an der Logik des Humanen – über alle historiografischen Wahrscheinlichkeiten hinaus – festgehalten wird. Die im Film einsame Darstellung eines Leichenberges, deren irrealer Charakter oft moniert worden ist, erweist sich gerade darin als Repräsentationskritik.


Das letzte Wort:

Gelächter angesichts des Holocausts bedeutet, so [Terrence] Des Pres, ein Nichtanerkennen. Das, ‚wie es ist‛, wird verhöhnt, jedoch nicht um die Realität zu leugen, sondern um sie zu verneinen (ihr quasi die Berechtigung zu entziehen).

Matthias N. Lorenz: Eine Vision von Menschlichkeit: Komik und die Logik des Humanen in Roberto Benignis Das Leben ist schön. In: Die Filmkomödie der Gegenwart, herausgegeben von Jörn Glasenapp und Claudia Lillge. An dieser Stelle verweise ich gerne auf den Text im Netz zum Selberlesen, den gibt es in diesem Fall nicht. Das Buch kann beim Verlag (utb) erworben werden.

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