Wie Frontal 21 der Demokratie in den Rücken fällt und warum wir uns gegen Antidemokraten wehren müssen

Was ist die Aufgabe des demokratischen Journalismus in einer gefährdeten Demokratie? Wem sind Journalistinnen und Journalisten verpflichtet? Der Wahrheit oder der Demokratie? Beidem natürlich. Aber was, wenn beides nicht zugleich zu haben ist? Wenn die Wahrheit der Demokratie schadet? Wenn die Demokratie zu schützen, bedeutet, die Wahrheit unterschlagen zu müssen?

Aus Sicht der fiktionalen Dramaturgie handelt es sich hierbei um eine sogenannte „Krise“: Die Hauptfigur befindet sich in einem Dilemma, einer Situation, in der sie zwei Dinge haben will, aber nur eins haben kann – in der sie sich zwischen zwei Werten entscheiden muss, die ihr gleichermaßen wichtig sind. Einen muss sie jedoch opfern, um den anderen zu realisieren oder zu retten.

In einem solchen Dilemma befindet sich der Frontal 21-Beitrag vom 22. November 2016. Die Journalistin Birte Meier und der Journalist Christian Esser haben aufgedeckt, dass die Politikberatungsagentur NMWD – eine hundertprozentige Tochter des Vorwärts-Verlags, der wiederum zu 100% der Deutschen Drucks- und Verlagsgesellschaft ddvg gehört, die wiederum eine treuhänderisch geführte Tochter der SPD ist – gegen Geld geheime Gespräche mit SPD-Funktionären bis hoch in die Ministerränge organisiert.

Was für ein Skandal. So etwas darf nicht sein und muss sofort unterbunden werden. Also hat Frontal 21 alles richtig gemacht. Applaus. Aber wofür? Für die Wahrheit, die dadurch ans Licht gekommen ist. Die Frage ist jedoch, zu welchem Preis? Nicht nur zum Schaden der SPD, einer der wichtigsten demokratischen Parteien in Deutschland. Natürlich muss ihr Verhalten Konsequenzen nach sich ziehen. Aber diese müssen nicht am öffentlichen Pranger vollzogen werden. Denn dadurch wird auch und noch mehr der Demokratie als solcher geschadet.

Wenn die Wahrheit antidemokratischen Kräften nützt

Inwiefern? Dahingehend, dass der Beitrag die ohnehin wachsende Politikverdrossenheit anheizt und damit den spaltenden, ausgrenzenden und antidemokratischen Kräften – sprich: AfD und Pegida – sehr wahrscheinlich scharenweise Wähler zutreibt. Dort dürften nach der Ausstrahlung der Sendung die Sektkorken geknallt sein. Denn der Beitrag betreibt auf geradezu perfekte Weise deren Storytelling, indem er eine ihrer wichtigsten und erfolgreichsten Storys erzählt: die Anti-Politiker-Story in Form einer klassischen David-gegen-Goliath-Story: „Wir hier unten gegen die da oben, die Korrupten, die sich die eigenen Taschen vollstopfen, nur noch Politik für Reiche und Großkonzerne machen und denen wir hier unten völlig egal sind. Es sei denn, sie brauchen unser Geld, um Banken zu retten.“

Frontal 21 macht sich damit zum Wahlkampfhelfer der AfD und fällt der Demokratie in den Rücken. Verstärkt wird die fatale Wirkung des Beitrags auf die Politikverdrossenheit und zu Gunsten der AfD noch dadurch, dass die Aussage Sigmar Gabriels, die SPD sei nicht käuflich, gleich drei Mal zitiert wird, einmal in der Anmoderation und zweimal im Beitrag. „Die SPD ist eine korrupte Lügnerin“ erweist sich damit als eindeutige und einzige Mitteilung, die Frontal 21 zu tätigen beabsichtigt. Zudem verstärkt sich seine Wirkung, da er zu sehr in der Konkretisierung verhaftet bleibt und nicht über den Fall hinausweisend Lösungen für das Problem thematisiert, wie Parteien finanziert werden können, ohne auf die Idee zu kommen, sich solche Essen „sponsern“ zu lassen. Die pure Freude an der Aufdeckung eines Skandals ist dem Beitrag deutlich anzumerken.

Wahrheit oder Selbstzensur?

Aber was wäre die Alternative gewesen? Den Beitrag nicht zu senden und die Wahrheit unter den Tisch fallen zu lassen? Also Selbstzensur zu betreiben? Das hängt von der Perspektive ab. Aus meiner Sicht ist es die Aufforderung, darüber nachzudenken, welche Botschaft – welche „Moral von der Geschicht´“ – journalistische Beiträge vermitteln, welche Wirkung sie damit hervorrufen und ob diese Wirkung zu verantworten ist. Dem Einwand, dass eine funktionierende Demokratie solche Wahrheiten verkraften können muss, halte ich entgegen, dass zu einer funktionierenden Demokratie nicht nur ein funktionierendes politisches System gehört, sondern auch Bürgerinnen und Bürger, die von der Demokratie überzeugt sind und an ihr festhalten. Und genau das ist bei immer mehr Menschen immer weniger der Fall.

In dem Frontal 21-Beitrag kommt der Strafrechtler Prof. Dr. Frank Saliger der LMU München zu Wort. Seiner Meinung nach liegt bei diesen gekauften Essen der Anfangsverdacht auf Verstoß gegen das Parteienrecht vor. Auch die Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Konstanz Sophie Schönberger weist in dem Beitrag darauf hin, dass es sich bei diesen Essen um eine rechtswidrige Umgehung der Parteienfinanzierung handelt und sie gegen die Transparenzpflichten des Grundgesetzes verstoßen. Wenn dem so ist, könnte dieses Vorgehen also auf juristische Weise beendet werden. Es hätte damit eine Möglichkeit gegeben, mit dieser Praxis Schluss zu machen, ohne sie gleich als Skandal an die große Glocke der Medienöffentlichkeit zu hängen. Voraussetzung wäre jedoch gewesen, dass es Frontal 21 um die Demokratie geht, und nicht um die Wahrheit um jeden Preis.

Welche Verantwortung hat der Journalismus?

Die Frage, um die es hier letztlich geht, ist die, welche Verantwortung der Journalismus angesichts eines Erstarkens nationalistischer, antidemokratischer Kräfte in Europa oder des Wahlsiegs von Donald Trump hat, und ab wann er unverantwortlich agiert. Die Diskussion darum ist bereits im Gange. Allerdings sollte der Fokus nicht darauf gerichtet werden, ob die journalistische Berichterstattung dazu beiträgt bzw. beigetragen hat, sondern was zu tun ist, um erstens die radikalen Kräfte nicht noch weiter zu stärken, und zweitens, um dafür zu sorgen, dass sie wieder von der Bildfläche verschwinden. Denn dass der Journalismus seinen Beitrag dazu leistet, steht außer Frage. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn über den Islam berichtet wird, dann nahezu ausschließlich im Kontext von Terror, Gewalt, Unterdrückung von Frauen und Intoleranz. Auch damit wird eine der zentralen Storys der AfD und Pegida erzählt: die Story vom bösen Moslem, der uns islamisieren und damit unsere Identität auslöschen will. Dass viele Menschen, insbesondere jene, die keinen direkten Kontakt zu Muslimen und Muslimas haben, Angst vor dem Islam bekommen und die AfD wählen, braucht einen nicht zu verwundern. Die Kritik des konstruktiven und positiven Journalismus am konventionellen Journalismus, dass er sich zu sehr auf das Negative fokussiert und damit ein negatives und von Angst geprägtes Weltbild bei den Rezipientinnen und Rezipienten erzeugt, ist also durchaus berechtigt.

Im Kern dieser Diskussion geht es um die alte Frage nach den Handlungsmaximen, um Gesinnungsethik versus Verantwortungsethik. Sollen die Medien immer die Wahrheit aufdecken, egal zu welchem Preis? Oder sollen sie die Wirkung ihres Handelns als Maßstab nehmen und zur Not auch einmal einen Skandal unter der Decke lassen (sofern es andere Wege gibt, seinen Missstand zu beheben)? Ein Großteil des deutschen Journalismus´ zieht es derzeit vor, gesinnungsethisch in den Abgrund zu rauschen. Und handelt damit unverantwortlich. Als „vierte Säule“ der Demokratie, als die er sich selbst gerne bezeichnet, ist es seine Verantwortung, die Demokratie gegen ihre Feinde zu schützen. Im Falle eines Dilemmas sollte er sich also mehr der Demokratie verpflichtet fühlen als der bedingungslosen Aufdeckung der Wahrheit. Auch aus Eigennutz heraus. Denn wie es die autoritären Kräfte, die bereits in Russland, der Türkei, Polen und Ungarn an die Macht gekommen sind, mit der Pressefreiheit halten, können wir tagtäglich beobachten.

Wie der Journalismus das Storytelling von antidemokratischen Kräften betreibt

Der Frontal 21-Beitrag ist beileibe nicht der einzige Fall, sondern nur ein aktueller und besonders deutlicher. Wenn beispielsweise ein ZEIT-Dossier über den Selbstmord des mutmaßlichen islamistischen Terroristen in einem Leipziger Gefängnis mit „Unter Stümpern“ betitelt ist, womit die verantwortlichen Politiker und Behördenvertreter gemeint sind, dann schlägt es in dieselbe Kerbe wie die Anti-Eliten-Story der AfD. Würde man AfD-Wähler fragen, ob sie unsere Politiker für Stümper halten, würde das Ergebnis vermutlich genauso hoch ausfallen wie das der Wiederwahl von Uli Hoeneß zum Präsidenten des FC Bayern München. Und würde man sie fragen, ob sie die AfD wählen, weil sie unsere Politiker für Stümper halten, wäre die Zustimmung vermutlich identisch.

Oder wenn die Top-News der Tagesthemen über ein vermeintlich vereiteltes Attentat auf eine Fanmeile und eine Einkaufsstraße in Brüssel während der diesjährigen Fußballeuropameisterschaft berichtet, obwohl die Behörden dies nicht bestätigten, und der Beitrag als einzige Quelle andere Medienberichte nennen kann, dann bedient er nicht nur die Anti-Islam-Story der AfD und trägt zur Spaltung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen bei, sondern ist darüber hinaus unseriös. Von einem zweimaligen Gegencheck einer Information, wie er Standard eines guten Journalismus ist, fehlt hier jede Spur. Stattdessen werden auf zirkuläre Weise anderer Medienberichte zitiert (siehe hierzu auch meinen Artikel „Wie Journalisten das Storytelling des Islamischen Staates und der AfD betreiben“).

Oder – letztes Beispiel – wenn ständig die Namen von Terroristen genannt und Fotos von ihnen gezeigt werden, dann wird damit die Märtyrer-Story des Islamismus erzählt und werden Menschen, die ihm zuneigen, motiviert, ihren erfolgreichen Vorbildern nachzueifern. Denn offensichtlich bekommen sie dadurch das, wonach sie sich sehnen: Sie werden nicht mehr diskriminiert und gedemütigt, sondern endlich gesehen – von den einen gefürchtet, von den anderen bejubelt und verehrt (siehe hierzu meinen Artikel „Das Storytelling des Islamischen Staates“. Und damit, um dem roten Faden noch weiter zu folgen, wird wiederum das Anti-Islam-Storytelling der AfD betrieben, indem die bösen Terroristen durch Bild und Name personalisiert werden.

Der zentrale Konflikt der Gegenwart: Demokraten gegen Anti-Demokraten

Die eingangs genannte Krise stellt in der fiktionalen Dramaturgie die absolute Zuspitzung des zentralen Konflikts einer Geschichte dar. In ihr zeigt sich in aller Deutlichkeit, was auf dem Spiel steht. Was ist der gegenwärtig zentrale Konflikt, der sich in einer Krise zuspitzt? Zwischen wem findet er statt und was steht auf dem Spiel? Er findet statt zwischen Demokraten und Anti-Demokraten. Eine gemeinsame Lösung des Konflikts wird es nicht geben, eine von beiden Seiten wird verlieren. Was auf dem Spiel steht, ist also nichts weniger als unsere Demokratie. Sie befindet sich in ernsthafter Gefahr. Ist sie das wirklich, mag sich die ein oder der andere fragen, oder ist das lediglich die paranoide Fantasie eines Filmdramaturgen, der sich zu viel mit Fiktion beschäftigt hat, und überall nur noch Bösewichte, existenziellen Konflikte und Endkämpfe sieht?

Ist die AfD überhaupt eine antidemokratische Partei?

Zur Erinnerung: Die AfD ist eine antidemokratische Partei, daran ändert auch ihre Forderung nach Volksabstimmungen nichts. Sie ist eine antidemokratische Partei, wenn man Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit als elementare Säulen einer Demokratie begreift. Sie ist eine antidemokratische Partei, weil sie auf diese Freiheiten einen Frontalangriff startet. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass auf ihrem Parteitag in Stuttgart im April 2016 ein Antrag gestellt wurde, der den Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ in „Der politische Islam gehört nicht nach Deutschland“ differenzieren wollte. Er wurde mit überdeutlicher Mehrheit abgelehnt. Das heißt, es geht der AfD nicht um den politischen Islam, sondern um den Islam als Religion. Die konkreten politischen Maßnahmen, die die AfD aus diesem Standpunkt ableiten würde, so sie an der Macht wäre, dürften die Religionsfreiheit dermaßen beschneiden, dass man von ihrer Abschaffung sprechen kann.

Auch was die Pressefreiheit angeht, muss man nicht mehr als eins und eins zusammenzählen können. Wer von Lügenpresse spricht, impliziert, dass es eine Wahrheitspresse geben muss. Und das ist seine Presse. Und eine Partei, die sich als die große Kümmererin um die Belange des deutschen Volkes aufspielt, wird dieses ihr Volk natürlich vor Lügen schützen wollen. Ein Blick auf die autoritären und nationalistischen Machthaber der Vergangenheit und der Gegenwart reicht, um zu sehen, wie sie mit der Pressefreiheit umgegangen sind und umgehen. Natürlich läutet die von der AfD geplante Abschaffung der Beitragsgebühren und damit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie wir ihn kennen noch nicht das Totenglöckchen der Pressefreiheit. Aber darauf, dass die AfD anders vorgehen wird als andere antidemokratische Kräfte, wenn sie erst einmal an der Macht ist – wovor uns Gott oder wer auch immer behüten möge -, weist bisher noch weniger hin.

Zumal sie es wie jene vergangenen und aktuellen nationalistischen Machthaber selbst nicht so genau nimmt mit der Wahrheit, wie die vielen nachgewiesenen Lügen von AfD-Funktionären zeigen (siehe beispielsweise die Lügen des Björn Höcke, die Medienfälschungen der AfD, Frauke Petrys Lüge von den Disziplinarmaßnahmen, mit denen die Universität Dresden gegen ihre Mitarbeiter angeblich vorgehen, falls sie sich an politischen Demonstrationen beteiligen, die Lüge des niedersächsischen AfD-Manns Uwe Wappler von dem von Flüchtlingen vergewaltigten Mädchen oder die Studie von Studierenden der Kölner Journalistenschule, laut der fast ein Drittel aller Aussagen von Frauke Petry in den untersuchten Talkshows Falschaussagen sind, womit sie die unangefochtene Spitzenreiterin ist, und so weiter, die Liste ließe sich beliebig fortführen).

Und was ihre Anhänger von der Meinungsfreiheit halten, sieht man an den unzähligen Hasskommentaren zu AfD-kritischen journalistischen Beiträgen und zu positiven Kommentaren zu diesen Beiträgen. Sicher sind nicht alle Autoren dieser Kommentare automatisch AfD-Wähler. Aber diejenigen, die sich typischer AfD-Argumentationsmuster bedienen – der Vorwurf, die Nazikeule zu schwingen, AfD-Aussagen absichtlich falsch zu verstehen und den Absender deshalb zum Opfer zu machen oder von der Lügenpresse verseucht zu sein -, darf man durchaus als solche betrachten.

Auch das symbolträchtige Treffen von Frauke Petry mit Heinz-Christian Strache auf der Zugspitze, ihre Annäherung an Marine Le Pen oder der Wechsel von Beatrix von Storch und Marcus Pretzell von der Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformisten“ (EKR) im Europäischen Parlament zu den nationalistischen und antieuropäischen Fraktionen „Europa der Nationen und der Freiheit“ (FPÖ, Front National, Partij voor de Vrijheid, Lega Nord) und „Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ (UKIP und M5S) zeigen an, wo die Reise der AfD hingeht.

Eingekeilt zwischen Demokratiefeinden

Wir haben also einen Feind der Demokratie schon mitten unter uns. Doch damit nicht genug. Wir werden immer mehr von ihnen umzingelt: Ungarn, Polen, Türkei, Russland – überall sind Demokratiehasser an der Macht, die von Pressefreiheit nicht viel halten und selbst permanent lügen. Und Frankreich wird nächstes Jahr vermutlich eine demokratieverachtende Präsidentin bekommen. Ganz zu schweigen von Amerika. Donald Trump – einer der größten Lügenbarone vor dem Herrn, wie sueddeutsche.de unter Berufung auf die unabhängige Seite Politfact behauptet, der zufolge 76% von Trumps Aussagen gelogen und nur zwei Prozent der überprüften Aussagen wahr sind – hat seinen Wahlkampchef Stephen Bannon zu seinem Chefberater ernannt.

Laut Blomberg ist Bannon der gefährlichste politische Akteur in Amerika. Mit seiner Ernennung zum Chefstrategen ist er der zweitmächtigste Mann der Welt, der direkte Einflüsterer des Mächtigsten. Und Bannon ist ein offen bekennender Antisemit, Rassist, Islam- und Schwulenfeind und Demokratiehasser. Laut ZEIT hat er eine klare Mission: „Er will das politische Establishment in Washington zerstören, Demokraten genauso wie Republikaner. Dazu ist ihm jedes Mittel recht.“ Auch die Nähe zu Neonazis. Er betreibt eine ultrarechte News-Site (deren Name ich nicht nenne, um ihr nicht noch mehr Öffentlichkeit zu verschaffen), die laut einem ZEIT-Artikel (leider nicht online verfügbar) im Oktober über 37 Millionen Besucher hatte. In den sozialen Medien ist sie weltweit die führende Quelle für politische Inhalte. Ihre Artikel werden häufiger gelesen als die der New York Times, der Washington Post und des Wall Street Journals zusammen.

Mit welchen Mitteln Bannon bereit ist zu kämpfen, zeigt ein Verleumdungsbuch über Hillary Clinton, das er in Auftrag gegeben hat. Von den Anschuldigungen, die darin gegen Clinton erhoben werden, konnte kein einziger bewiesen werden. Die Botschaft von der „korrupten Hillary“ war trotzdem in der Welt und entfaltete ihre Wirkung. Verbreitet und verstärkt wurde sie noch zusätzlich von der New York Times und der Washington Post. Beide veröffentlichten auf der Grundlage dieses Buches auf ihrer ersten Seite große Artikel über Clintons Stiftung, in denen sie die Finanzierung der Stiftung als fragwürdig darstellen. Offensichtlich verhindert die Gier nach dem großen Skandal sogar bei solch renommierten Blättern, dass Quellen und vor allem deren Motivation mit der nötigen Sorgfalt überprüft werden. Besser kann sich Bannon eine Unterstützung seines Storyseedings gar nicht vorstellen. Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie sehr die demokratischen Medien aufpassen müssen, um sich nicht von Antidemokraten an der Nase herumführen zu lassen. In Großbritannien ist Bannon mit seiner Seite bereits aktiv und hat den EU-Austritt befeuert. Aktuell sucht er in Berlin und Paris nach Büroräumen, um sich weiter nach Europa auszuweiten.

Eingekeilt zwischen Russland und den USA, zwischen der Türkei, Ungarn und Polen, bald vielleicht auch Frankreich, und mit einer AfD und Pegida im eigenen Haus ist es also keine Übertreibung zu behaupten, dass unsere Demokratie in immer größere Gefahr gerät. Umso mehr stellt sich die Frage nach der Verantwortung des Journalismus. Nicht nur hinsichtlich seines unmittelbaren Umgangs mit der AfD, sondern eben auch hinsichtlich seiner Berichterstattung, mit der er indirekt das Geschäft der AfD betreibt. Fühlt er sich bedingungslos der Veröffentlichung der Wahrheit verpflichtet wie die Frontal 21-Sendung, trägt er weiter zum Erstarken der Antidemokraten bei.

Die Frage nach der Verantwortung stellt sich allerdings nicht nur dem Journalismus, sondern auch den etablierten Parteien. Ihre aktuellen Strategien in der Auseinandersetzung mit der AfD und warum sie nicht funktionieren, habe ich in im vierten Teil meines Artikels über das Storytelling der AfD beschrieben.

Anti-Demokraten gewähren lassen, mit ihnen zusammenarbeiten oder ihnen entgegentreten?

Die Frage nach der Haltung zur und dem Umgang mit der AfD stellt sich aber auch allen Demokraten, jeder und jedem Einzelnen. Es gibt Stimmen, die sagen: Lasst sie in Regierungsverantwortung kommen, dann zerlegen sie sich von selbst. Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Antidemokraten gewähren zu lassen statt ihnen entschieden entgegenzutreten, bewirkt das Gegenteil des Beabsichtigten. Das zeigt beispielsweise Kurt von Hammerstein, Generaloberst des deutschen Heeres und Mitglied im Widerstand gegen Hitler. Von Hammerstein verachtete Hitler und drohte ihm sogar persönlich an, ihn aus dem Weg zu räumen, sollte er an die Macht kommen. Als es dann so weit gekommen war, befand er sich ebenfalls in einer Krise: Er befürchtete, dass ein Attentat auf Hitler einen Bürgerkrieg auslösen könnte. Ein Pest-oder-Cholera-Dilemma. Er entschied sich dafür, den möglichen Bürgerkrieg zu vermeiden, weil er hoffte, dass sich die Nazis durch die Gemäßigten in ihren Reihen zähmen lassen und sich im politischen Alltagsgeschäft abnutzen würden. Das Ergebnis ist bekannt. Ein Bürgerkrieg wäre wohl das kleinere Übel gewesen.

Ein Beispiel dafür, dass man mit Antidemokraten keine Demokratie machen kann, ist Robert Blum, als einer der Vizepräsidenten des Vorparlaments in der Frankfurter Paulskirche, Abgeordneter des ersten frei gewählten Parlaments in Deutschland und Anführer der Demokraten einer der wichtigsten Köpfe der Märzrevolution 1848. Sein Ziel war ein in einer Republik geeintes Deutschland. Dafür war er bereit, den Übergang gemeinsam mit den alten Mächten, den Monarchen, zu gestalten – also mit Antidemokraten. Er vertraute der Aussage des preußischen Königs Friedrich Wilhelm der Vierte, dass Preußen fortan in Deutschland aufgehen werde. Doch das war ein Fehler. Nach und nach wurde das Parlament entmachtet und rissen die Monarchen die Macht wieder an sich. Als im Herbst 1848 in Wien erneut die Revolution ausbrach, griff der bis dahin überzeugte Pazifist Blum nun selbst zu den Waffen. Doch zu spät. Die Revolution wurde niedergeschlagen, Blum verurteilt und hingerichtet.

Vielleicht wäre die Revolution erfolgreich gewesen, wenn sie nach den Vorstellungen der radikalen Demokraten Friedrich Hecker und Gustav von Struve verlaufen wäre. Beide waren sich einig darin, dass die Etablierung einer Republik nicht mit Anti-Demokraten möglich ist und wollten deshalb – notfalls auch mit Gewalt – die alten Herrscher vollständig entmachten.

Mit Anti-Demokraten lässt sich keine Demokratie gestalten

Was können wir von Blum, Hecker, von Struve und von Hammerstein lernen? Dass man nicht darauf hoffen darf, dass sich Anti-Demokraten selbst zerlegen. Und dass mit ihnen keine Demokratie gestaltet werden kann. Dass man sich ihnen konsequent und mit allen Mitteln entgegenstellen muss. Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland ist es nicht gewohnt, aber was wir heute brauchen, ist eine wehrhafte Demokratie. Und einen kämpferischen Journalismus, der sich der Demokratie verpflichtet fühlt – keinen feigen Protokollanten des Niedergangs der Demokratie oder gar ein Beförderer dieses Niedergangs.

6 Comments

  1. Konrad Hugendubel

    Wehrhafte Demokaratie indem man unliebsame Narrative unter den Teppich kehrt… So einen Schwachsinn muss ich mir auf filmschreiben.de durchlesen? Tja. Bye.

    1. Dezember 2016
  2. Ich finde Rons Schlüsse auch nicht richtig. Und trotzdem werde ich deswegen ihm gegenüber nicht respektlos reagieren. So ein Wahnsinn. Bye.

    2. Dezember 2016
  3. Arno

    Wer da der Demokratie in den Rücken gefallen (und Wahlkampfhelfer der AfD) ist, das ist die SPD. Du bestrafst hier bloß den Überbringer der schlechten Nachricht. Natürlich ist die Aufdeckung eines Skandals kein Selbstzweck, den Hinweis von dir finde ich richtig. Und im Journalismus die falsche Fixierung auf das Negative zu beklagen ist auch richtig.

    Aber du wirst Unterstützung für die Demokratie nicht dadurch fördern, dass du Bürgern Wahrheit vorenthälst, sie entmündigst. Damit nimmst du der Demokratie jede Grundlage: Dass der Wähler weiß, was er da wählt. (Und warum du eigennützigen, also korrupten Journalismus lobst, habe ich auch nicht verstanden.)

    Und auch dem letzten Teil kann ich so nicht folgen. Es ist die Demokratie, die sich selbst zerlegt, wenn sie den Versuch aufgibt, Anti-Demokraten einzuschließen. Ausschluss (und besonders durch Gewalt, mein Gott!) ist anti-demokratisch.

    5. Dezember 2016
  4. Lieber Arno,

    du hast recht und ich gebe zu: Ich habe überzogen. Das lag vielleicht daran, dass ich mich einfach sehr über diesen Beitrag geärgert und den Text in dieser Stimmung recht schnell runtergeschrieben habe.

    Ich will deshalb den Beitrag aus einer anderen Perspektive betrachten: Es kann nicht um die Frage gehen, ob er gesendet werden soll oder nicht (da stimme ich dir zu), aber es sollte darum gehen, wie er „erzählt“ wird. Die Beitragsmacher haben mit dem Mittel der Skandalisierung gearbeitet, um als Wirkung eine möglichst große Empörung zu erzielen. Genau das ist es, was mich stört. Denn aus der Perspektive der thema- und werteorientierten Dimension einer Geschichte betrachtet mussten sie dafür das kognitive Thema „Korruption“ und den universellen Wert „Wahrheit“ bzw. „Glaubwürdigkeit“ wählen und die zentrale Frage „Ist die SPD eine korrupte Lügnerin? zugrunde legen, die sie mit einem lautstarken „Ja“ beantworten, mit dem sie den Verdruss auf die Parteien letztlich anheizen.

    Man hätte den Beitrag jedoch in seiner Konzeption auch anders gestalten können, indem man beispielsweise das kognitive Thema „Parteienfinanzierung“ und den universellen Wert „Selbstbestimmung“ bearbeitet und der zentralen Frage „Wie lassen sich Parteien ausreichend finanzieren, um unabhängig vom Einfluss durch Lobbyisten selbstbestimmt Politik machen zu können?“ folgt.

    Der Beitrag wäre dann natürlich nicht so „sexy“ gewesen, stattdessen hätte er aber einen sinnvolleren Mehrwert gehabt: Wir hätten etwas über Parteienfinanzierung lernen können. Da ich zugegebenermaßen wenig Ahnung davon habe, hätte ich mit einem solchen Beitrag mehr anfangen können.

    Was denkst du?

    Liebe Grüße

    Ron

    15. Dezember 2016
  5. Jürg

    „… Wenn die Demokratie zu schützen, bedeutet, die Wahrheit unterschlagen zu müssen?“
    Wer in der Lage ist, eine solche Frage zu stellen, müsste dringend eine Wörterbuch zur Hand nehmen und die Bedeutung des Begriffes „Demokratie“ nachschlagen.

    25. Dezember 2016

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