Zweiter Eindruck: The Force Awakens

Aktuelle Kinofilme dramaturgisch zu untersuchen ist schwierig, weil wir sie dafür eigentlich wieder und wieder sehen müssten. Dafür fehlen jedoch die Ressourcen und manchmal die Geduld. Deshalb ein kurzer erster zweiter dramaturgischer Eindruck, der weder umfassende Vollständigkeit, noch analytische Detailtiefe verspricht – dafür spontane Ehrlichkeit und die Konzentration aufs Wesentliche: Star Wars: The Force Awakens.

(Spoiler-Warnung: Ich werde hier selbstverständlich erzählerische Details des Films verraten.)

In Star Wars: The Force Awakens finden die Schrottsammlerin Rey und der desertierte Stormtrooper Finn einen Roboter namens BB-8, der wichtige Informationen für den galaktischen Widerstand hat. Der Widerstand kämpft unter der Leitung von General Leia gegen die Überreste des alten Imperiums, die sich unter dem Namen Erste Ordnung organisiert haben. Rey will BB-8 beim Erreichen des Widerstands helfen; Finn ist bereit, die Beiden solange zu begleiten, bis sich ihm eine Möglichkeit bietet, sich vor der Ersten Ordnung in Sicherheit zu bringen. Sie begegnen auf ihrem Weg den Schmugglern Han Solo und Chewbacca, die sie unterstützen, denn Kylo Ren, ein Anführer und Jedi der Ersten Ordnung ist der Sohn von Leia und Han. Als Rey von der Ersten Ordnung gefangen genommen wird, entscheidet Finn dem Widerstand zu helfen: Gegen den Starkiller, einem zur Waffe umgebauten Planeten, der ganze Planetensysteme zerstören kann – und um Rey zu befreien. In der Gefangenschaft entdeckt Rey, dass auch sie wie Kylo Ren die Macht, die Kraft der Jedi beherrschen kann und benutzt sie um ihm zu widerstehen und sich zu befreien. Han stirbt bei der Konfrontation mit seinem Sohn, doch der Starkiller wird erfolgreich zerstört und Rey und der verletzte Finn können fliehen. Mit den Informationen von BB-8 macht Rey sich auf den Weg ihren Jedi-Meister zu finden: Luke Skywalker.

Dass ich mich in meiner Zusammenfassung nicht kürzer fassen kann (oder mag) ist ein Problem des Genres: Die Verhältnisse, Konflikte und Besonderheiten einer Fantasy-Welt müssen immer ein bisschen miterzählt werden. (Wer diese Zusammenfassung zu lang findet, sollte mal die der deutschssprachigen Wikipedia probieren.) Dass ich den Film zweimal gesehen habe, liegt daran, dass mir beim ersten Mal wohl die Vergewisserung am wichtigsten war, keine erzählerische und filmische Katastrophe wie in den Episoden I bis III vorgesetzt zu bekommen. Zur Beruhigung: Von denen ist der Film weit entfernt, The Force Awakens ist ein guter Film. Ich werde aber dennoch einige Probleme ansprechen, die uns vielleicht etwas mehr über Dramaturgie erzählen.

Das größte Problem: Es ist alles zu leicht. Anstrengung mit Blick auf das Ziel ist ein so wichtiges Element der Dramaturgie, doch in The Force Awakens muss sich niemand anstrengen. Durch Anstrengung, Verausgabung, Leidenschaft zeigt uns eine Figur, wie wichtig ihr etwas (ihr Ziel) ist und verdient es sich. Doch der Erfolg in The Force Awakens fügt sich einfach. Selbst wenn Rey zum Ende hin in die Freiheit klettert (und dass sie gut klettern können muss, wird zu Beginn angelegt – leider viel zu nachlässig) ist das fast buchstäblich ein Spaziergang. Dabei ist Klettern doch ein so hoch dramatischer (Fallhöhe!), so visueller und haptischer (sensibler!) Ausdruck von Körper- und Willenskraft. Es ist Film: Emotionale Kraft wird in physischer Kraft visualisiert. Und Willenskraft ist Star Wars ureigenstes emotionales Thema: Kannst du widerstehen?

(Wer einwenden möchte, Abenteuerfilme seien nicht derart dramatisch gestrickt, sei hiermit an die Indiana Jones-Trilogie erinnern: Indi strengt sich an, und wie.)

Wenn Rey sich zu Beginn zwischen Nahrung und dem nicht sehr essbaren BB-8 entscheiden muss, ist das keine schwierige Entscheidung: Trotz der dürftigen Rationen haben wir nie den Eindruck bekommen, dass sie Hunger leidet. Tatsächlich geht sie sehr nachlässig mit möglicherweise wertvollen Dingen um. Auch bei Finn gibt es solche charakterlichen Verwirrungen: Wir lernen ihn kennen, als bzw. weil er sich weigert, auf Menschen zu schießen. Wenige Filmminuten später feuert er mit einem Bordgeschütz wahllos in eine überraschte Menschengruppe. Mögen solche Irritationen der Figurenzeichnung noch zu vernachlässigen sein, sie sind auch Symptom eines weiteren Problems: Den Beziehungen.

Wenn Han Solo zum Ende des Films von seinem Sohn Kylo Ren ermordet wird, fehlt ein emotionaler Eindruck, den das auf uns Zuschauer machen kann. Nicht für die Fans, keine Frage, bei denen ist der emotionale Eindruck groß. Aber Figuren-Fan-Beziehungen sind nicht die Art von emotionaler Verbindung, um die es in Erzählungen geht. Selbst das Game of Thrones-Experiment, alle Lieblingscharaktere nach und nach zu streichen funktioniert, weil die Toten und Todgeweihten erst durch ihre emotionale Bedeutung für andere Figuren zur unseren Lieblingscharakteren wurden. Han Solo hinterlässt mit einer Frau und einem Sohn deutlich mehr, als es damals in Krieg der Sterne Obi Wan tat. Weil diese Beziehungen aber nur am Rande erzählt und seine Beziehung zu Rey deutlich oberflächlicher bleibt, als die zwischen Luke und Obi Wan, hat sein Tod weniger Bedeutung als eigentlich angemessen wäre. Und so stört es dann fast gar nicht, dass Leia mit der ihr unbekannten Rey trauert, anstatt mit Chewie.

Nur mit der Absicht, die Beziehung von Rey und Han zu vertiefen kann ich mir übrigens das ansonsten sehr überflüssige Alien-Monster-Intermezzo erklären. Leider erfüllt es diese Aufgabe nicht. Das solche Bedeutungen nicht entstehen oder verstanden werden können, passiert dem Film leider mehrfach: Auch Finns unendlich großer Wert für den Widerstand, weil nur er mit seinem Insider-Wissen helfen kann, den Starkiller zu zerstören, der das Leben aller Widerständler bedroht (wie das einst mit Informationen von R2D2 der Fall war) bleibt neben allem anderen unverstanden und erzählerisch ungewürdigt. Star Wars: The Force Awakens Film ist lang, aber man muss wünschen, er hätte sich mehr Zeit genommen: Für mehr Anstrengung und für tiefere Beziehungen.

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