Noch etwas zum Dialog: Hilfsmittel Dialekt

Alles Prinzipielle zum Dialog ist bereits im vorigen Blog gesagt. Hier nur noch ein ganz einfaches Hilfsmittel: der Dialekt. Das heißt natürlich nicht, dass man seine Dialoge im Dialekt schreiben sollte. Produzenten, Redakteure und Schauspieler würden das nur im begründeten Fall akzeptieren. Es ist ja eher umgekehrt: Drehbücher sollen in Hochdeutsch verfasst sein und die Schauspieler haben das Recht, wenn es zur Figur und der Geschichte passt, ihren Dialog in Dialekt zu übersetzen. Warum? – Es macht das Gesprochene farbiger, glaubwürdiger, authentischer.

In den deutschen ARD-Vorabendserien der 70er und 80er-Jahre wurde das exzessiv praktiziert. Die ARD-Sender sind regional und gaben auch sprachlich mit Dialektfärbungen ihre Visitenkarte ab. Interessanterweise war das Hessische der ideale Dialekt, weil er sowohl in Bayern als auch in Schleswig-Holstein gut verstanden wurde. Die Norddeutschen sollen gelegentlich ihre Schwierigkeiten mit dem Bayerischen gehabt haben.

Es hat zwar nie jemand zugegeben, aber die Entscheidung für Dialekt in diesen Filmen hatte auch damit zu tun, dass man von den Autoren des Vorabend-Programms eine sehr hohe Dialogqualität nicht erwarten und verlangen konnte. Und so war die Freigabe des geschriebenen Dialogs in den Dialekt durch die Schauspieler eine Art Kosmetik. Was auf dem Papier noch zwar richtig, aber etwas leblos und einschichtig wirkte, bekam in der Dialektfärbung plötzlich Lebendigkeit, Authentizität, Farbe und oft sogar Witz.
… eine Sprache, die sich vor Emotionen hütet
Das funktioniert natürlich nur, wenn der Schauspieler den Dialekt wirklich beherrscht, also als Kind mit ihm aufgewachsen ist. Wie immer in der Kunst ist das Band zur Kindheit ein wahres Füllhorn an Konkretheit und Emotionalität. Die Hochsprache hat vieles davon wieder eliminiert und man muss schon ein Künstler sein, um die ganze Breite und Färbung von Leben, das Bewusste und das Unbewusste in Hochsprache hinein zu bekommen. Im Dialekt ist es alles noch drin: Volksgut ohne Autorenschaft sozusagen.

Zurück zum Thema Schreibtechnik. Jeder Autor, der einen Dialog beherrscht, kann und darf im Arbeitsprozess zu diesem Trick greifen: seine Dialoge zunächst einmal im Dialekt zu konzipieren. Er wird sehen, wie gut und richtig das klingt – vorausgesetzt natürlich, er ist sich über Charakter der Figur und Situation im Klaren. Was automatisch im Dialekt viel stärker ist, ist auch das, was man Soziolekt nennt. Da zeigt sich Stand und Herkunft der Figuren viel deutlicher.

Hochsprache nivelliert und verschleiert oft. Wer das nicht glaubt, schaue doch einfach mal in die täglichen Polit-Talkshows. Professoren und Politiker, und leider auch die Moderatoren reden so, wie man als Autor nicht schreiben darf, es sei denn man möchte eine Figur negativ darstellen: eine Sprache, die sich vor Emotionen hütet und meist nach dem Prinzip ,mehr scheinen als sein‘ angelegt ist.
Ein guter Dialogsatz fordert eine Replik geradezu heraus
Da wird geblufft und das ist wohl auch der tiefere Grund, warum sich die Diskutanten selten wirklich zuhören. Ein gut geschriebener Dialogsatz fordert eine gute Replik geradezu heraus. Man hat sich verstanden oder aber man muss das Verstandene abwehren…

Also: wenn die Dialoge in einem ersten Arbeitsgang im Dialekt stehen, dann ist es relativ leicht, sie ins Hochdeutsche zu übertragen. Mit Sicherheit hat man bei diesem Verfahren viele kleine sprachliche Aspekte offen vor sich liegen, die im Hochdeutschen einfach nicht exponiert hätten. Denn das ist das Grundproblem beim Dialoge Schreiben: was gesprochen wird, muss erst einmal gekommen sein – so wie im Leben. Da reden wir auch spontan und es mischt sich immer Bewusstes mit Unbewusstem.

Es muss etwas da sein, was man redigieren, zuspitzen, verbessern, pointieren kann. Damit es im Drehbuch dann ideal funktioniert und im Film bringt, was die Zuschauer bei der Stange hält, ihr Interesse weckt und sogar Freude macht. Eben alle die Dinge, auf die im vorherigen Blog schon aufmerksam gemacht wurde.

2 Gedanken zu „Noch etwas zum Dialog: Hilfsmittel Dialekt“

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