Formate, Slots & Längen – eine Polemik

Bei längeren Formaten muss man als Dramaturg immer die Frage stellen: braucht es diese hohe Anzahl der Sendeminuten? Autoren verstehen meine Frage. Denn nur bei Kurzfilmen sind sie frei. Die sind immer nur so lang, wie es die Geschichte braucht. In der Regel werden Autoren aber gezwungen auf Minute 88 zu schreiben, oder 45 oder 25. Das lernt man, kriegt es in sein Gefühl und es ist oft doch ein Grund für Drehbuchschwächen.

Sein oder nicht sein: Die geheime Skala von Faction bis Fiction

Anlass zu diesem Überlegungen gab mir die Lektüre des gerade erschienenen Buches von Klaus Pohl Sein oder nicht sein – Roman. Roman? Es geht in dem Buch um eine Beschreibung der Proben zu Peter Zadeks zweiter Hamlet-Inszenierung mit Angela Winkler in der Titelrolle. Alle Filmleute, die noch einen Rest von Beziehung zum Theater haben, sollten, ja müssen das lesen.

LEBEN ÜBER KREUZ: Wie aus einem Melodram ein Drama wird

In den 90er-Jahren haben die Spielfilm-Redaktionen der Privatsender die Produzenten jährlich mit neuen Genre-Wünschen aufgescheucht. Ich erinnere mich, dass der Produzent einer der Firmen, für die ich als Dramaturg arbeitete, fragte: „Was ist eigentlich ein Melo?“ In Leben über Kreuz wird die melodramatische Prämisse zum Drama.

Totgeschwiegen – so geht’s

Am Montag, dem 21. September 20 Uhr 15 im ZDF Totgeschwiegen, ein Film, angekündigt als Kriminalfilm mit einer total am Kern vorbei gehenden Pressemitteilung. Nun schaue ich Kriminalfilme nur noch in Ausnahmefällen. Ein Glück aber, dass ich es dieses Mal getan habe. Denn es war sicher einer der Höhepunkte des Fernsehjahres 2020.

UNTERLEUTEN – Ein deutsches TV-Event

Direkt nach Erscheinen des Romans Unterleuten, den ich voller Bewunderung gelesen habe, schrieb ich via Verlag mein Kompliment an die Autorin Juli Zeh. Ich gab mich als Filmdramaturg zu erkennen und bemerkte, dass ich mir eine Verfilmung kaum vorstellen könne, weil der Perspektivwechsel auf die Figuren, dadurch dass sich in jedem Kapitel auf eine Figur erzählerisch konzentriert wird kaum ins Filmische übertragen werden kann.

Hannes Jaenicke im Deutschlandfunk-Gespräch

Der Schauspieler, Dokumentarfilmer und Naturschutzaktivist Hannes Jaenicke hat in einem Deutschlandfunk-Gespräch interessante Thesen aufgestellt. Film ist die überlegene amerikanische Kunst: wegen Hollywood, wegen der deutsch-jüdischen Emigranten der 20er und 30er-Jahre, wegen der Professionalität, die von Autoren, Schauspielern und Regisseuren verlangt und geleistet wird.

Das Problem Netflix am Beispiel The Laundromat

Als Oldie vermeide ich es aus prinzipiellen Gründen ,große‘ Filme auf dem Computer anzuschauen oder gar, ein no go, auf dem Smartphone. Bei einer VeDRA-Diskussion auf dem Münchner Filmfest, wo es um neue Produktionsmöglichkeiten von Serien ging, fragte der Moderator am Ende, ob die Autoren und Regisseure nicht Probleme damit hätten, dass Ihre Werke nicht mehr im Fernsehen und Kino gezeigt würden. Offensichtlich waren die Macher mit dieser Frage überfordert, sie hatten sich darüber einfach noch keine Gedanken gemacht.

Erster Eindruck: Der unverhoffte Charme des Geldes

Man muss ja immer einige Jahre auf einen neuen Film des Franko-Kanadiers Denys Arcand warten. Inzwischen ist er 78 Jahre alt und es ist hoffentlich nicht sein letzter. Denn mit diesem Film ist er ganz nah bei der Jugend und am Zeitgeist. Wie immer wird dieser Zeitgeist intelligent kritisiert: der Neoliberalismus, der durch das Nachbarland Amerika bestimmt ist. Man kann sagen: Denys Arcands ständiger Hauptfeind.

Fundstellen: Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber

Auch in nicht ausgesprochener Drehbuch-Fachliteratur findet man oft interessante Aspekte zum Thema filmschreiben. In Texten, die vielleicht sogar schon über zweitausend Jahre alt sein können, gilt doch Aristoteles Poetik als die Ur-Inspiration der amerikanischen Filmdramaturgie. Film ist nur eine moderne, bildgeleitete Variante von Drama und eine Adaption von Prosa-Erzählung. Heute hier etwas aus Michaela Karl: »Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber«: Dorothy Parker. Eine Biografie. btb 2012.

Emily Blunt & Robert Habeck für Drehbuchschreiber

In der Wochenendausgabe der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom 8./9. Dezember gab es ein Interview mit der Schauspielerin Emily Blunt. Hieraus eine Passage: Emily Blunt: Ich versuche meine Arbeit gut zu machen. Süddeutsche: Wie funktioniert das? Tief eintauchen. Man muss versuchen ihr Dilemma zu begreifen, die Situation & den Moment, in dem sie sich gerade befinden. Außerdem … Weiterlesen

Grundsätzliches zu KINDESWOHL

Der englische Film Kindeswohl, zur Zeit in den Kinos, ist eigentlich recht positiv besprochen worden. Kritiker fühlen sich nur dann in ihrer Identität wohl, wenn sie zumindest etwas mäkeln können. So auch in diesem Fall. Das nehme ich zum Anlass, aus der Perspektive eines Dramaturgen und Gelegenheits-Autoren darauf aufmerksam zu machen, dass die Schöpfer von Kunstwerken immer das Recht haben, ihrer Intention zu folgen.