Das Problem Netflix am Beispiel The Laundromat

In Venedig lief The Laundromat von Stephen Soderbergh, eine Netflix-Produktion, als Ausnahme im Festival. Der Film interessierte mich aufgrund des Themas. Es ist die Geschichte, die die Süddeutsche Zeitung mit ihren Panama Papers öffentlich gemacht hat.

Als Oldie vermeide ich es aus prinzipiellen Gründen ,große‘ Filme auf dem Computer anzuschauen oder gar, ein no go, auf dem Smartphone. Bei einer VeDRA-Diskussion auf dem Münchner Filmfest, wo es um neue Produktionsmöglichkeiten von Serien ging, fragte der Moderator am Ende, ob die Autoren und Regisseure nicht Probleme damit hätten, dass Ihre Werke nicht mehr im Fernsehen und Kino gezeigt würden. Offensichtlich waren die Macher mit dieser Frage überfordert, sie hatten sich darüber einfach noch keine Gedanken gemacht.

Das überraschte mich und ich gab zu bedenken, ob Ihnen nicht klar sei, dass das Großartige von Theater und Kino und sogar noch des Familien-Fernsehens der 6oer bis 80er-Jahre gewesen sei, dass man etwas mit anderen Menschen zusammen sieht und deren Reaktionen spüren kann.

Dass Großartige des Kino ist, dass wir die Reaktionen der anderen Menschen spüren.Mal ein Beispiel: ich saß 1998 an einem Samstagabend in München im ausverkauftem Großkino um mir American Beauty anzuschauen. Wie bürgerlich schamhaft dieses Publikum war, zeigte mir die Reaktion auf Keavin Spaceys Satz bei seinem ersten Auftritt. Hinter Milchglas sah man ihn unter der Dusche und hörte ihn sagen: „Hier steh ich und hol mir einen runter und das ist schon der Höhepunkt des Tages.“ Ich musste lachen, 80% der Besucher waren geschockt.

Schwierigkeiten gab es in München, eine Vorführung von The Laundromat überhaupt sehen zu können. Ein Kino zeigte den Film OMU um 17 Uhr, das andere um 20:30 Uhr. Dort waren wir am Abend 17 Zuschauer. In einem Arthouse-Kino, das gerade um seine Existenz kämpfen muss. Schnell am Mittwoch vor dem Programmwechsel bin ich dahin, weil Netflix den Film ja nur kurz in wenigen Kinos spielen lässt.

Weitere Schwierigkeiten waren überhaupt Informationen über den Film zu bekommen: eine Wikipedia-Seite existiert nicht, in der Süddeutschen Zeitung gab es eine Erwähnung damals zu Venedig, aber keine Filmkritik. In der Kritiker-Punkte-Leiste des Münchner IN-Magazins tauchte er nicht auf. Im Internet eine Anzeige mit dem zutreffenden deutschen Titel Die Geldwäscherei. Und im Kino dann deutsche Untertitel, die man hier braucht, da typisch amerikanisch-slangartig artikuliert wird.

Nicht nur die Gier, auch die Zurschaustellung von Reichtum wird karikiert.The Laundromat, nur so viel, ist ein guter Film. Sehr amerikanisch, wir Europäer hätten ihn sicher anders gemacht, ernsthafter. Neflix nennt ihn Drama, es ist aber gattungsmäßig eher eine Farce. Und nicht weil er unterhaltender geraten ist, sondern weil die Handlung selbst, diese Story, eine Farce ist. Und so erzählt Soderbergh, der auch die Kamera gemacht hat, die Geschichte mit Drama-unüblichen Elementen.

Die beiden Chefs der Panama Papers-Firma Mossack Fonseca führen uns in das ja nun wirklich nicht leicht verständliche Thema ein. Die Schurken also, Täter als zynische Kommentatoren, gespielt von den Hollywood-Stars Gerry Oldman und Antonio Banderas. Sie geben sich naiv und diskutieren übrigens auch den quasi religiösen Aspekt: nicht, wie in der Bibel verkündet, sind die Sanftmütigen die Gewinner. Einige Szenen spielen in Kirchen.

Das Opfer wird gespielt von Meryl Streep, die dann am Ende noch offenbart, dass sie extrem kostümiert auch die Angestellte gespielt hat, die wahrscheinlich den Leak bewirkt hat, unter dem Pseudonym John Doe. Es gibt Episoden der Opfer und der Gewinner, immer so ins Bild gesetzt, dass nicht nur die Gier, sondern auch die typisch protzige Zurschaustellung von extremem Reichtum karikiert wird, zumindest für unsere europäischen Augen.

Gehört ein solcher Film nicht in die Kinos als ein soziales Ereignis der Information?Das Fazit, die Aussage des Filmes ist pessimistisch. Die Panama-Papers haben zwar einige Präsidenten und Regierungschefs zu Fall gebracht, aber geändert hat sich nichts. Weitere Kanzleien praktizieren diese Steuervermeidungs- und Geldwäsche-Geschäfte.

Panama, so sagen es Oldman und Banderas in die Kamera, nachdem sie drei Monate im Knast gesessen haben, ist ja nicht der Hauptschauplatz und der Grund für diese Finanz-Tricksereien. Nein, es ist Amerika, das größte Land dieser – ich steigere nach der Ansicht des Films – Schweinereien. Weil, und das wird auch gezeigt, eben Geld für Notwendiges entzogen wird. Und daran würde sich auch nichts ändern, weil dahinter stehende Banken und Milliardäre die Wahlkämpfe der beiden konkurrierenden US-Parteien unterstützen.

So ein Film also, gehört er in die Kinos als ein soziales Ereignis der Information, Läuterung und Belustigung oder soll er von Individuen auf Laptop und Smartphone gesehen werden? William Shakespeare hätte so eine Story ganz sicher dramatisiert, sogar mit ähnlichen Elementen wie Soderbergh. Und er hätte gerne damit sein Theater gefüllt. Dass wir nun in einer Zeit leben, die zumindest im Film das Gemeinschaftserlebnis aufgibt, das ist wahrlich ein Verfall von Kultur.

2 Comments

  1. Ralph Gluch

    Ich nehme an, die Produktionen werden von Autoren heutzutage doch gleich für den Bildschirm konzipiert: eher dialoglastige Serien und Fernsehfilme, wo das grosse Bild weniger eine Rolle spielt. Und selbst Kinospielfilme (vor allem in deutschsprachigen Bereich) orientieren sich mehr an der Fernsehästhetik als an der grossen Leinwand (zumal inzwischen auch diese Filme eher früher als später auf den Bildschirm kommen).

    14. Oktober 2019
  2. Michael Füting

    Ich denke, ein Autor hat eine Geschichte, die er erzählen will. Die muss er verkaufen. Hier bei uns eher & leichter beim TV. Was der Regisseur dann daraus macht, hat etwas mit seinem Talent & dem Budget zu tun. Wenn die Geschichte große & weite Bilder verlangt, dann wird man sie drehen, selbst wenn der Fernsehschirm sie dann praktisch verkleinert.
    Andererseits, wenn sie beim Abendspaziergang mal in die Fenster schauen, dann sehen sie oft diese riesengroßen Flachbildschirme, die von den Großhändlern für relativ wenig Geld angeboten werden. Wenn jemand konzipiert, dann nicht der Autor, sondern der Redakteur. Die besten Fernsehfilme des Münchner Filmfest werden oft im TV auf später verschoben, weil man die Erstausstrahlung gut ins Kino bringen kann. Und solche Autoren-Regisseure wie Ingmar Bergman & Woody Allen haben aus Prinzip nur Kino gemacht. Deren meiste Filme sind aber so konzipiert, dass sie dann später bei TV-Ausstrahlungen genauso gut funktionieren, da sie ihre Akzente auf Großaufnahmen & Dialoge setzen. Es ist halt ihr Interesse an Menschen…

    17. Oktober 2019

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