Fundstellen: Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber

Auch in nicht ausgesprochener Drehbuch-Fachliteratur findet man oft interessante Aspekte zum Thema filmschreiben. In Texten, die vielleicht sogar schon über zweitausend Jahre alt sein können, gilt doch Aristoteles‘ Poetik als die Ur-Inspiration der amerikanischen Filmdramaturgie. Film ist nur eine moderne, bildgeleitete Variante von Drama und eine Adaption von Prosa-Erzählung. Heute hier etwas aus Michaela Karl: »Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber«: Dorothy Parker. Eine Biografie. btb 2012.

Dorothy Parker war im Amerika des 20. Jahrhunderts ein Legende. Sie schrieb Gedichte, Kurzgeschichten, Theaterkritiken, Stücke und dann auch Drehbücher. Diese aber immer als Co-Autorin, da sie jemanden für die Struktur der Geschichte brauchte. Dialoge konnte sie aber phänomenal. Es muss wohl an ihrem Talent zu Schlagfertigkeit gelegen haben. Dafür war sie als die spitzeste Zunge Amerikas berühmt und berüchtigt. Ein Zitat zu Katherine Hepburn: »[Sie] beherrscht die ganze Skala der Gefühle. Von A bis B.«
»Im Leben gibt es kein Happy End«
Ab dem spanischen Bürgerkrieg engagierte sie sich gegen den Faschismus und kam auf die schwarze Liste des FBI der McCarthy-Zeit. Davon ließ sie sich nicht beeinflussen: »An dem Tag, an dem du Ungerechtigkeit akzeptierst, solltest du dich erschießen.« Sie hatte Probleme mit Happy Ends und sagte dem Produzenten, der das forderte: »Im Leben gibt es kein Happy End«. Erschüttert war sie, als ihre Literaturstudenten der UCLA der späten 60er-Jahre die großen amerikanischen Autoren nicht mal dem Namen nach kannten und für Romane und Geschichten ein Happy End forderten.

Zum Hollywood der 40er-Jahre zwei Zitate aus diesem Buch. Nur um zu bedenken, wie viel davon heute noch zutrifft:

Das Problem ist, dass oft mehrere Autoren an einem Drehbuch sitzen. Mal als Team, mal als Konkurrenten, mal aufeinander aufbauend, mal einander schlichtweg ersetzend. Zudem haben Produzenten und Regisseure ständig neue Einfälle, die sie ins Skript einbauen möchten, […] jeder hält sich zu Dorothys Entsetzen für einen begnadeten Autor: »Hier schreibt jeder. Wirklich jeder. So was hab ich noch nicht erlebt. Der nette Mann am Tor schreibt und der Produzent schreibt auch – was noch viel schlimmer ist.«

Das Ganze ist Fließbandarbeit ohne die geringste Garantie auf Erfolg. Angesichts der hohen Belastung, die ein derartiges Arbeiten für kreative Geister bedeutet, sieht Dorothy in ihrem hohen Wochenlohn nicht mehr als ein fürstliches Schmerzensgeld: »Nicht nur die Leute allein machen Hollywood so schlimm, nein es sind auch die Taktlosigkeiten, mit denen man begabte Leute auf sein Niveau herabzuziehen versucht.«

Der Grundtenor dieses Absatzes erinnert mich zumindest gelegentlich an meine fast 40jährige Erfahrung als Filmdramaturg. Das dürfte auch heute noch stattfinden: arbeitet ein Autor nicht überzeugend, dann sind auch in Nicht-Writers-Rooms immer vermeintliche Co-Autoren da und versuchen den nominellen Autor zum Ghostwriter IHRER Ideen zu machen.

Anders heute bei uns aber: bezahlt wird der Autor mit einer relativ hohen Gage, verglichen mit dem, was Schriftsteller-Kollegen anderer Gattungen verdienen. Denn nur bei Drehbüchern gibt es hier Festgagen. Unabhängig von der Qualität. Die Frage bleibt allerdings, ob ein nicht so überzeugender Autor weitere Aufträge bekommen wird.

Ein zweites Zitat aus dieser Dorothy Parker-Biografie:

Eine Herzensangelegenheit dieser Jahre ist ihr die Gründung einer Gewerkschaft der Drehbuchautoren. Dabei geht es zum einen darum, den Drehbuchautoren die Rechte an ihrer Arbeit zu sichern. Dies ist gar nicht so einfach, da immer mehrere Autoren an einem Buch arbeiten und zuletzt niemand mehr sagen kann, wer was geschrieben hat. Zum anderen weiß Dorothy sehr genau, dass die wenigsten ihrer Kollegen derart exorbitante Gehälter bekommen wie sie und (ihr Mann) Alan:

»Eine Gewerkschaft für Drehbuchautoren war unumgänglich. Da gab es Leute, die bekamen überhaupt kein Geld, weil alles so durcheinander war, immer wieder neue dazu kamen und dann nicht bezahlt wurden. Das höchste der Gefühle waren 40 Dollar pro Woche und dann auf einmal gar nichts mehr…«

Sie ist der festen Überzeugung, dass nur die Organisierung der Drehbuchautoren an dieser Situation etwas ändern kann. Doch diese Ansicht teilten nicht alle ihrer Kollegen. Viele halten es für unvereinbar mit dem Diktum von Kunst und Kreativität, sich wie Arbeiter in einer Gewerkschaft zu organisieren. Einige hatten es dennoch vor Jahren versucht und die Screen Writers Guild gegründet. Sie waren auf den erbitterten Widerstand der Studiobosse gestoßen.

Nun leben wir hier in Europa in einer anderen Kultur mit anderen, besseren Traditionen. Hier geht es gerechter zu. Es gibt keine Wochenlöhne und es gibt Verträge. Wie das allerdings heute in unseren Writers‘ Rooms gehandhabt wird, weiß ich nicht aus Erfahrung. Das stelle ich mir schon ähnlicher vor, nur nicht so krass wie im damaligen und heutigen Hollywood.

Gerade jetzt hat es aber eine Initiative von Autoren (KONTRAKT ’18) gegeben, die in durchaus gewerkschaftlicher Art um ihre Rechte kämpft. Man hat Ihnen zugehört und wird sehen, wie erfolgreich sie sein werden. Die ,Gegenseite‘ der Auftraggeber dürfte nicht so leicht zu beeinflussen sein. Und eine Art Streik der Autoren ist kaum vorstellbar. Unter den letztlich entscheidenden Qualitätsgesichtspunkten sollte das auch nicht nötig sein.

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