Theorie tl;dr: Über Sehen und Hören

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute der Vortrag „Der Schrecken des Voyeurs. Gewalt, Lust und Schönheit in David Lynchs »Blue Velvet«“ von Robert Fischer, festgehalten in Bilder der Gewalt.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

Robert Fischer: Das Kino bedient, David #Lynch thematisiert uns als skopophilen #Voyeur. Wir wollen die Bilder, wollen die Flut von Bildern. — Arno (@filmschreiben) 25. Februar 2015

In 50 Worten (Was ist das?): Wir leben im Zeitalter der Skopophilie. Das Kino als Raum ist das Augeninnere, und das Kino als Medium ist Ausdruck unserer Schaulust. Der Zuschauer ist Voyeur. Das ist das Thema von David Lynchs Blue Velvet: Der Akt des Sehens und das Gefühl von Macht auf der richtigen Seite des Gucklochs.

Die Erkenntnis: Texte zu einem einzelnen Thema mit vielleicht mehreren beispielhaften Filmen, machen meist vermutlich mehr Sinn als Texte zu einem einzelnen Film mit vielleicht mehreren beispielhaften Themen.

Robert Fischer (Wikipedia) schreibt über Lynchs Sounddesign, über Surrealismus, über die Rückkehr in den Mutterleib (s. Freud), über den Ödipuskomplex (s. Freud), über sexuelle Schaulust (s. Freud). Über dieses letzte Thema, die sexuelle Schaulust, die bei Freud Skopophilie heißt (s. Freud), schreibt Fischer ausgiebig, jedoch leider nicht sehr ergiebig.

Nachdem wir in dieser Reihe ununterbrochen die Visualität des Films thematisieren, sollten wir die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, über die Audialität zu sprechen. (Ich musste dieses Wort erst nachgucken, meine Rechtschreibkorrektur kennt es gar nicht, und das obwohl ich seit Monaten über den audiovisuellen Film schreibe. Bin nur ich so ignorant? Ein Versprechen: Ich suche nach mehr Texten über den Ton im Film).

Fischer schreibt, Lynch sei ein Regisseur, der kein Interesse an herkömmlicher Kinodramaturgie habe, oder daran überhaupt Geschichten zu erzählen. Vielmehr ginge es ihm darum Stimmungen zu schaffen und Gefühle beim Publikum auszulösen, durch Bild und Klang. Lynch war Maler, Kunststudent, der Bilder betrachtete, damit sie lebendig würden, und dabei Geräusche hörte.

In Blue Velvet macht der Ton auf das vermeintlich Unsichtbare aufmerksam, auf das, was unter der Oberfläche liegt. Summt und surrt wie all das Lebendige, das sonst zu klein und leise ist, als das wir es wahrnähmen. Das maschinelle Stampfen und Pochen in Lynchs Filmen verbindet Fischer mit dem Mutterleib: »So muss für ein Ungeborenes das klopfende Herz der Mutter klingen.«

Das Zitat:

Der klassische Voyeur, den es natürlich nicht erst seit der Erfindung des Kinos vor hundert Jahren gibt, schließt ein Auge und führt das weit geöffnete andere an ein Loch in der Wand, um etwas oder jemanden auf der anderen Seite zu beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. […] Jeffreys maßloser Schrecken, wenn Dorothy die Schranktür aufreißt, ist der des ertappten Spanners, und dieser Moment, in dem einem das Herz in die Hose rutscht, wird vom Zuschauer im Kinosaal vollständig nachempfunden.

Von besonderem Interesse sind vielleicht die Vergleiche und Zitate, die Fischer in Blue Velvet entdeckt. Das abgetrennte Ohr zu Anfang des Films erinnert ihn an die abgetrennte Hand aus Un Chien Andalou, die Insekten und auch die Art und Weise wie auf den doch eigentlich verstörenden Anblick völlig unbeeindruckt reagiert wird, stellen die Verbindung her. Die im Zitat erwähnte Szene vergleicht er mit der Duschszene aus Psycho: Neben der Ausgangssituation und dem Voyeurismus gibt es Gemeinsamkeiten bei Details wie der Verbindung von Perücke und Messer.

Das letzte Wort:

Einige Voyeure mögen Psychopathen sein, sagen diese Filme [Rear Window, Psycho, Peeping Tom, Blue Velvet], aber Voyeure sind wir alle, nicht nur Berufsfotografen wie Jeff Jeffries. Wer kann schon den Blick abwenden, wenn er sich selbst unbeobachtet glaubt?

Robert Fischer: Der Schrecken des Voyeurs. Gewalt, Lust und Schönheit in David Lynchs »Blue Velvet«. In: Bilder der Gewalt, 1994, herausgegeben von Andreas Rost im Verlag der Autoren. Im Internet scheint der Text nicht zur Verfügung zu stehen.

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