to rundfunk sth. – sich vor etw. drücken

Jon Stewart hört auf, verlässt die Daily Show. In Deutschland kann man sich darüber ärgern, dass die Sendung nie nach Deutschland eingekauft wurde, und darüber freuen, dass die Heute Show vielleicht auch deshalb nicht ähnlich gut funktioniert, weil bei uns die Tagesschau die meistgesehene Nachrichtensendung ist – und nicht Fox News. Rupert Murdochs ständige, gefährliche Einflussnahme auf die amerikanische öffentliche Meinung sollte uns und besonders den Kritikern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bitte immer eine Warnung sein.

Zur Erinnerung: Es ist gerade einen Monat her, dass es (fälschlicherweise oder verfrüht) hieß, Axel Springer und ProSiebenSat1 planten eine Fusion. Springer ist schon an ProSiebenSat1 beteiligt. 2006 lehnte die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich eine solche Fusion ab, wegen der daraus resultierenden Gefahr einer „vorherrschenden Meinungsmacht“ nach §26 des Rundfunkstaatsvertrag. Das hat das Bundesverwaltungsgericht aber letztes Jahr anders und zu Gunsten Springers entschieden, eine Fusion wäre jetzt also wieder möglich gewesen.
Alles gut, wenn die Quote stimmt?
Diese Warnung, von der ich geschrieben habe, soll die öffentlich-rechtlichen Sender nicht von jeder Kritik befreien, sie soll unser (bzw. mein) Bekenntnis sein zur Notwendigkeit eines Rundfunks, der unabhängig von Unternehmen, Unternehmern, Werbung, vom Markt, ja von Wirtschaftlichkeit grundsätzlich informiert. Und auch: unabhängig von politischer Einflussnahme. Dass mich, dass uns das etwas kostet, ist okay. Nur die Art und Weise, mit welchen Maßnahmen ihr das Geld bekommt, eintreibt, hat ja gerade zu Zeiten der GEZ für viel berechtigte Kritik gesorgt.

Also: Bezahlen ist okay. Das heißt aber auch: Die Notwendigkeit und die Rechtfertigung von Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sehe ich nicht. Die Kritik der Privatsender, die sich benachteiligt sehen, verstehe ich dafür umso besser. Wenn es Finanzierungsschwierigkeiten gibt, sollte doch nach Modellen gesucht werden, die die Integrität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht in Frage stellen und das Geschäft der privaten Fernsehsender nicht direkt bedroht. Wenn sich die WDR Mediagroup darüber freut, einen Weg gefunden zu haben, wie das Werbeverbot umgangen werden kann, stellt ihr, liebe ÖRs damit eure Unabhängigkeit, also eure eigene Rechtfertigung in Frage.

Bitte, bitte verfälscht mir meine Informationen nicht. Oder: Wenn ihr euch nicht sicher sein könnt, seid offen damit, wer ein Interesse haben könnte, sie zu verfälschen. Stichwort: Ukrainekonflikt. Da gab es später, auch in der Tagesschau, zumindest Andeutungen von Selbstkritik aber auch merkwürdige Rechtfertigungen. Es gäbe keine Glaubwürdigkeitskrise der Medien: die Zuschauerzahlen seien unverändert. Das kausal zu verbinden ist abenteuerlich, das Argument kommt uns aber natürlich bekannt vor: Alles gut, denn die Quote stimmt.
Die Unabhängigkeit von der Quote kann doch eine Befreiung sein.
(Bevor wir zu diesem, so leidigen Thema der Quote kommen, noch eine Anmerkung, die vor allem die deutschen Printmedien betrifft: Presserat und Pressekodex sind eure Garantie dafür, dass ihr unabhängig von politischen Einflüssen arbeiten könnt (wenn ihr denn wollt, bitte wollt). Diesen Presserat, diesen Pressekodex zu respektieren, ist in eurem Sinn. Wenn diese Art der „Selbstverwaltung“ nicht funktioniert, und das tut sie oft genug nur mehr schlecht als recht, so impotent, wie sie ist, wer soll dann die Menschen vor euch schützen, wenn nicht die Politik.)

Die Quote. So fragwürdig ihre Ermittlung in Deutschland ist, so eindeutig ist ihre Funktion: Anhand der Einschaltquote werden die Preise für die Fernsehwerbung berechnet. Und so eindeutig sollte daraus auch ihre Relevanz für das öffentlich-rechtliche Fernsehen resultieren: Keine Relevanz. Das ist nicht so, das ist schlecht aber auch gut, vor allem: Schwierig. Die öffentlich-rechtlichen glauben oft, ihre Existenz mit der Quote rechtfertigen zu müssen. Wenn alle zahlen, sollte das Programm möglichst viele erreichen, richtig?

Ich behaupte: Nein. Wir zahlen nicht, um die öffentlich-rechtlichen Sender zu sehen, sondern um sie sehen zu können. Um zwischen all den mehr oder weniger interessanten Fernsehsendern auf die zurückkommen zu können, die unabhängig sind. Wenn wir sie sehen wollen, vielleicht müssen, weil wir an den anderen zweifeln. Das muss vermittelt werden, niemand tut es. Niemand will es, und ich verstehe nicht warum. Die Unabhängigkeit von der Quote kann doch eine Befreiung sein. Natürlich ist es nicht ganz so einfach, natürlich sollten öffentlich-rechtliche Sender versuchen Zuschauergruppen zu erschließen, auch für Jüngere relevant zu sein. Aber: Inhaltlich relevant. Und das bemisst sich nicht an der Quote.
Inhalte werden den Regeln bestimmter Formate unterworfen…
Die Quote führt uns von der Information zur Unterhaltung. Endlich, immerhin heißen wir filmschreiben. Und Nachrichten brauchen selten Geschichtenerzähler, und vielleicht noch zu oft. Das Problem auch da: Vermeintliche Relevanz gemessen anhand der Quote bedeutet keine inhaltliche Relevanz. Ende Juni hat die Otto-Brenner-Stiftung eine Studie veröffentlicht, in der sie eine „Boulevadisierung“ beim WDR und besonders MDR beobachtet, gemessen am Verhältnis von Unterhaltung zu Information. So einfach ist die Unterscheidung nicht, aber dieser Begriff der Boulevardisierung scheint mir zu stimmen.

Ein Problem, und das sieht auch die Studie so, ist das, was sie Human Touch nennen. Ratgebersendungen und Klatsch sind: Informationen. Und auch bei der Unterhaltung gibt es solch eine Trivialisierung, das können wir als Zuschauer beobachten, und das erfahren wir auch in unserer Arbeit als Autoren. Fernsehfilme, die ganz unabhängig von Thema und Inhalt den Regeln bestimmter Formate unterworfen werden, bestimmte Zielgruppen ansprechen sollen. Und das meist bar jeder Überprüf- und Nachvollziehbarkeit.

Die Klagen darüber sind wohl allgemein bekannt. Welches Alter und Geschlecht welcher Protagonist zu welcher Sendezeit haben darf, wann negative Gefühle erlaubt sind und wann nicht, wann Kühe auf einer Weide stehen dürfen, und wann es Pferde sein müssen: Öffentlich-rechtliche Redakteure haben tatsächlich Antworten auf solche Fragen. Sie haben tatsächlich solche Fragen. Deren quasi automatisierte Beantwortung dann großen Einfluss auf die Geschichte haben kann (die Kühe weniger, die Protagonistenfrage schon), manchmal wider jeder dramaturgischen Logik, ganz egal ob es der Geschichte hilft oder sie behindert.
Dass sich inhaltliche Qualität nicht messen lässt, macht es schwierig.
Solche durchformatierten Erzählungen sind Relikte, sie funktionieren ganz allein in der passiven Linearität des Fernsehens. Ich behaupte: Noch niemals hat irgendjemand sich einen dieser Filme illegal aus dem Netz heruntergeladen, vermutlich auch niemand ihn hochgeladen. Kann sich jemand einen Erfolg solcher Filme in Videotheken, ob analogen oder digitalen vorstellen? Ich möchte jetzt nicht selbst eine Quote als Argument ins Spiel bringen, zumal im Fernsehen solche Formate ja tatsächlich eine ausreichende Quote genießen. Herzlichen Glückwunsch für die Zuschauer, die sich alles vorsetzen lassen (außer Kühe).

Warum ärgere ich mich darüber so? Ich will öffentlich-rechtliche Sender doch gar nicht sehen, ich will sie doch nur sehen können? Ich ärgere mich, weil Geld und Sendeplatz sinnvoller genutzt werden könnten. Jeder von uns wird eigene Ideen haben, wie so eine sinnvollere Nutzung aussehen könnte. Doch einig sind wir uns wohl darin, dass es die derzeitige Nutzung nicht ist. Ein Beispiel: Deutsches Kino hat in der Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit einen schweren Stand, darauf haben die Sender Einfluss. Genug Kinofilme werden von den öffentlich-rechtlichen Sendern mitproduziert und im Fernsehen unterm Radar versendet.

Ich bin abgeschweift. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gerechtfertigt und relevant, wenn er gesellschaftlich relevant ist. Gesellschaftliche Relevanz bemisst sich nicht an der Quote sondern am Inhalt. Das gilt sowohl für Information (Warum sendet Monitor nur eine halbe Stunde?) als auch für Unterhaltung. Dass sich inhaltliche Qualität nicht messen lässt, macht es euch schwieriger, aber das ist kein Grund, es nicht zu versuchen.
Sport ist Kultur, keine Frage
(Und ganz kurz: Sport ist eine genauso wichtige kulturelle Errungenschaft wie z.B. das Theater, keine Frage, aber keine wichtigere. Kosten aber vor allem Sendezeit von Sportübertragungen sollten andere vergleichbare Veranstaltungen (wie zum Beispiel die Übertragung einer Theateraufführung) wohl eigentlich nicht nennenswert überschreiten. Mehrkosten durch Mehraufwand sind verständlich, aber nicht dieser Exzess, zumal anders als bei den genannten Theateraufführungen auch andere, private Sender Interesse an der Ausstrahlung haben.)

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