Theorie tl;dr: Über Rundfunkfolgen

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute eine „Rede über die Fuktion des Rundfunks“, „Der Rundfunk als Kommunikationsapparat“ von Bertolt Brecht.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

Bertolt #Brecht: #Rundfunk kann nicht bloß Stellvertreter anderer Medien sein und das Leben verschönern, er muss in Wirklichkeit eingreifen. — filmschreiben (@filmschreiben) 23. März 2016

In 50 Worten (Was ist das?): Brecht sucht nach dem, was der Rundfunk zu sagen habe. Er kritisiert die Stellvertreterschaft für andere Medien und die einseitige Kommunikation, befürwortet politische Information aus erster Hand. Eine tiefe gesellschaftliche Bedeutung des Rundfunks sieht er in seinen „Folgen“, in möglichen Eingriffen in die Wirklichkeit mit dem Ziel, diese zu verändern.

Die Erkenntnis: Brecht sagt, nicht die Öffentlichkeit habe auf den Rundfunk gewartet, sondern der Rundfunk müsse auf die Öffentlichkeit warten. Und: „Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen.“ Er stellt Überlegungen an, was zu sagen sei und kommt (natürlich) zu dem Schluss: Das, was von gesellschaftlicher Relevanz und mit gesellschaftlichen Folgen sei.

Interessant ist, was er zu fiktionalen Formen sagt, bedauerlich, dass er es nicht weiter ausführt: Die Oper und das „shakespearische“ Drama seien unbrauchbar für den Rundfunk. Die Oper, weil sie den Zuhörer bloß berausche, das Drama weil es sich an einen einzelnen Zuhörer wende, statt eine Menge zu verbinden. Die epische Dramatik hingegen habe (natürlich) „für den Rundfunk eine Menge praktischer Winke.“ Vielleicht gibt ihm der Erfolg moderner Serien darin recht?

Das Zitat:

Ich kenne sowenig wie Sie die Verpflichtungen des Reichskanzlers, es ist Sache des Rundfunks, sie mir klar zu machen, aber zu diesen Verpflichtungen des obersten Beamten gehört es, regelmäßig durch den Rundfunk die Nation von seiner Tätigkeit und der Berechtigung seiner Tätigkeit zu unterrichten.

Von besonderem Interesse ist vielleicht, dass Brecht die Kommunikation des Rundfunks kritisiert: Sie habe eine Seite, obwohl sie doch zwei brauche. Der Rundfunk sei von einem Distributionsapparat in einen (den großartigsten) Kommunikationsapparat (des öffentlichen Lebens) zu verwandeln. Er müsse den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen machen, ihn nicht isolieren, sondern in Beziehung setzen. Ist das Internet, das vielbeschworene Web 2.0 die Erfüllung dieses Wunsches? Man wünscht sich Brecht könnte sich dazu äußern. Kann er nicht, so kann ich diesen filmschreiben zur Erfüllung seiner Vision erklären. Schön!

Das letzte Wort:

Wir haben eine folgenlose Literatur, die sich nicht nur bemüht, selber keine Folgen zu haben, sondern sich auch alle Mühe gibt, ihre Leser zu neutralisieren, indem sie alle Dinge und Zustände ohne ihre Folgen darstellt. Wir haben folgenlose Bildungsinstitute, die sich ängstlich bemühen, eine Bildung zu vermitteln, welche keinerlei Folgen hat und von nichts die Folge ist.

Bertolt Brecht: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Hab ich in dem uralten Massenkommunikationsforschung 1: Produktion, herausgegeben von Dieter Prokop, entdeckt, der Band 18 aus Brechts Gesammelten Werke als Quelle nennt. Nach einer kurzen Internetsuche kann man den Text aber auch digital lesen.

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