Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute das Kapitel „Das Oberhausener Manifest und der Junge deutsche Film“ aus dem Buch Film in Deutschland: Geschichte und Geschichten seit 1895 der deutsch-amerikanischen Film- und Kulturwissenschaftlerin Sabine Hake.
In 140 Zeichen (Was ist das?):
Sabine Hake: Generationenkonflikt, Geschlechterkampf, Experimental-, Dokufilm, Popkultur & Filmförderung machten den Jungen Deutschen #Film. — Arno (@filmschreiben) 11. März 2015
In 50 Worten (Was ist das?): Der Junge deutsche Film ist geförderter Film. Die Filmförderung war die politische Reaktion auf wirtschaftliche Probleme der Filmbranche und das Oberhausener Manifest. Die neue Unabhängigkeit vom finanziellen Erfolg erlaubte inhaltlichen Protest und ästhetische Experimente. Doch auch kommerziell erfolgreiche, „populistische“ und/oder niveau- und anspruchslose Filme durften sich bei den Förderungen bedienen.
Die Erkenntnis: Wenn über, oft genug gegen Filmförderung gesprochen wird, finden ihre Ursprünge sehr wenig Beachtung. Filmförderung kann Unabhängigkeit von Zuschauer- und Verkaufszahlen bedeuten, das ermöglicht filmische Experimente, künstlerische „Forschung“, kulturelle Entwicklung.
Film ist in seiner Entstehung (finanziell) deutlich aufwendiger als viele andere Erzähl- und Darstellungsformen, der experimentierende, forschende, entwickelnde Filmemacher kann mit diesem Aufwand nicht allein gelassen werden, sonst wird es ihn nicht geben, oder nicht mehr lange geben. Diese Erkenntnis ist Teil der deutschen Filmgeschichte und sollte nicht vergessen werden.
(Natürlich gibt es guten Grund zur Kritik an der derzeitigen Filmförderung: Sie erzeugt vor allem durchschnittliche Produkte und keinen Anreiz zum Schaffen wertigerer Filme. Sie wird vermutlich oft mit Blick auf Standorteffekte vergeben, nicht nach Qualität. Damit haben wir uns auch schon einmal beschäftigt, siehe Filmförderlandschaft: Hügel, Tal, Berg.)
Das Zitat: Schade. Wahnsinn, dass das damals schon so war. Wahnsinn, dass das niemand geändert hat.
Trotz der Provokation des Jungen deutschen Films blieben bestimmte Traditionen des Genrekinos unverändert bestehen und erlaubten Produktionsfirmen, auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau zu arbeiten. Die fortgesetzte Talfahrt der einheimischen Filmproduktion, die durch die starke Konkurrenz des Fernsehens und die Vielfalt der anderen Unterhaltungsangebote noch verstärkt wurde, besiegelte die Fragmentisierung des Publikums in die Masse der Jugendlichen und eine Minderheit von Cineasten und Filmfans.
Von besonderem Interesse sind vielleicht die Einflüsse auf den »Film nach Oberhausen«. Inhaltlich und politisch waren das Generationenkonflikt, Familienstrukturen, und Geschlechterrollen. Ästhetisch Realismus und Dokumentarfilm, die Emanzipation des Visuellen gegenüber dem Inhaltlichen der filmischen Avantgarde, des Experimentalfilm, und tatsächlich (ironisierend) moderne (amerikanische) Pop- und Medienkultur. Und literarische Einflüsse durch zeitgenössischer Autoren wie Böll und Grass, aber auch durch Brecht mit seinem epischen Theater (s. Theorie tl;dr: Über Verfremdung und Entfremdung).
Das letzte Wort: Immerhin.
Während das Kuratorium [Junger deutscher Film] besonders bei der Förderung von Regie-Anfängern erfolgreich war, konnte es an der Unwilligkeit der Verleiher und Kino-Besitzer, schwierige Filme zu zeigen, und an den Vorlieben eines Publikums, das an formalen Experimenten wenig Interesse zeigte, wenig ändern.
Sabine Hake: Das Oberhausener Manifest und der Junge deutsche Film. In: Film in Deutschland: Geschichte und Geschichten seit 1895. Gibts leider nicht zum Nachlesen im Netz.