Filmförderlandschaft: Hügel, Tal, Berg

Der Filmförderung in Deutschland, ihrem System, ihren Vor- und Nachteilen und ihrer Bedeutung für uns als Filmschreiber und Filmschaffende werden wir uns noch sehr viel ausführlicher widmen (müssen). Aus aktuellem Anlass ein paar Überlegungen.

Das Erich Pommer Institut hat Anfang der Woche eine „Studie zur Filmförderlandschaft in Deutschland“ für das Jahr 2012 veröffentlicht (Link). Gesellschafterin des Instituts ist die HFF Konrad Wolf. Um die Studie selbst zu besprechen fehlen uns die Ressourcen, also müssen wir uns dabei auf dritte journalistische Veröffentlichungen verlassen – nicht einfach, weil die Studie bisher sehr wenig Aufmerksamkeit bekommen hat.
Immer mehr Produktionen bekommen immer mehr Geld? Nein.
Von kleinen DPA-Meldungen abgesehen wird auf die tatsächliche Studie nur auf welt.de ausführlicher eingegangen (was vielleicht daran liegen mag, dass die Studie der Welt schon vorab vorlag, und alle anderen Journalisten noch lesen): „Die bittere Bilanz der deutschen Filmförderung“ (Link). Insgesamt geht es um 310 Millionen Euro Filmförderung. Das Fazit „Immer mehr Produktionen bekommen immer mehr Geld“ widerspricht dann schon sehr früh den dpa-Meldungen (Beispiel FAZ: „Gleiches Geld, mehr Filme“ (Link)). Trotzdem ist die Rede von der bitteren Bilanz nicht ganz unberechtigt, sogar sehr höflich formuliert (was man vom Rest des Artikels nicht behaupten kann):

Im Jahre 2012 hat die FFA fast 58,6 Millionen an Darlehen ausgezahlt. Zurückbekommen hat sie nicht einmal 1,3 Millionen. Bayern gab etwas mehr als 28,8 Millionen aus und bekam nicht einmal 3,8 Millionen zurück. Die spendabelste unter den Landesförderanstalten, NRW, gab über 35 Millionen aus, will aber über die Rückzahlung „keine Angaben“ machen, ebenso wenig wie fünf andere Großförderer.
Die Welt, Alan Posener: Die bittere Bilanz der deutschen Filmförderung

Einem Artikel des Tagesspiegels (Link) zu meinem zweiten aktuellen Anlass, einer ausführlichen Diskussion der Filmförderung in Deutschland vorzugreifen, nämlich der Entscheidung des Bundestags vom 13. November den Deutschen Filmförderfonds von 60 auf 50 Millionen Euro zu kürzen, gegen den die Branche, wir, im Vorfeld aufwendig protestiert haben, fällt ein:

Die von Produzenten und Interessenverbänden in Auftrag gegebene Effektivitätsstudie von Roland Berger beziffert die jährliche Gesamtförderung aus Steuergeldern auf rund 100 Millionen Euro. Aber es sind deutlich mehr, rechnet man etwa Verleih-, Kino- und Festivalförderung hinzu.
Tagesspiegel, Christiane Peltz: Wünsch dir was!

Warum das Erich Pommer Institut sagt, 2012 seien es 310 Millionen Förderung gewesen, die Roland Berger Unternehmensberatung dagegen, es seien jährlich 100 Millionen, liegt vielleicht (!) daran:

Bekommt der Steuerzahler irgendwann seine Fördergelder zurück? Dazu muss man wissen: Die rund 300 Millionen Euro Fördergelder kommen etwa je zur Hälfte aus Bundes- und Landesmitteln. Bei etwa zwei Dritteln der Bundesmittel handelt es sich um Zuschüsse, die ohnehin nicht zurückgezahlt werden.
Die Welt, Alan Posener: Die bittere Bilanz der deutschen Filmförderung

Steuereinnahmen verändern das Bild noch einmal deutlich
Was nichts daran ändert, dass es diese Kosten gibt. Und, soweit ich das aus den verschiedenen Meldungen ersehen kann, sind auch bei den 310 Millionen die bei Peltz genannte „Verleih-, Kino- und Festivalförderung“ nicht berücksichtigt. Interessant dazu: Ein Interview der Berliner Zeitung mit Christian Bräuer, dem Vorstandsvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Kino-Gilde deutscher Kunsttheater: Was nützt ein Film, wenn ihn keiner sieht? (Link).

Die Förderung ist dabei sehr produktionszentriert – so als würde vor allem gefördert, um Filme in der Hoffnung auf wirtschaftliche Standorteffekte um ihrer selbst willen entstehen zu lassen. Hauptsache die Studios sind belegt, Kameraleute et cetera beschäftigt.
Berliner Zeitung, Interview mit Christian Bräuer

Woran uns auch die Roland Berger Studie „Volkswirtschaftliche Effekte der Kinofilmproduktion in Deutschland“ (PDF) erinnert: An die Steuereinnahmen durch Filmproduktionen in Höhe von 170 Millionen (95 Millionen durch direkte Umsätze, 75 Millionen durch indirekte Umsätze zum Beispiel bei Zulieferern und sogenannte induzierte Effekte, wenn wir das Geld das wir beim Film verdient haben wieder ausgeben). Das verändert das Bild noch einmal deutlich, auch wenn eine direkte Verrechnung nicht funktionieren kann, denn Bund und Länder müssen von ihren Steuergeldern ja auch leben.

Fisser [Christoph Fisser, Vorstand Filmstudio Babelsberg] zitiert eine Studie der Roland-Berger-Unternehmensberatung, nach der eine Million Euro Filmförderung mehr als 1,8 Millionen Euro Steuereinnahmen in die Bundeskasse bringen.
Die Welt, Alan Posener: Die bittere Bilanz der deutschen Filmförderung

Mit unseren Zahlen, die wohl gerundet wurden, wären wir bei einem Verhältnis von 1:1,7 statt 1,8 Millionen. Nehmen wir die 310 Millionen Euro Angabe vom Erich Pommer Institut sind wir bei einem Verhältnis von 1:0,55. Zu diesen Förderungen – aus Steuergeldern – kommt das Geld der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender – aus Rundfunkbeiträgen – und das ärgert Alan Posener:

Weitere Großabnehmer von Subventionen sind die deutschen Fernsehanstalten, die bei 51 Prozent der geförderten Filme Ko-Produzenten waren. So bezahlt der Steuerzahler einmal über seine Gebühren (oder als Werbekonsument), ein zweites Mal aber über seine Steuern dafür, dass ihm im „Free-TV“ Abend für Abend Mittelmäßiges vorgesetzt wird.
Die Welt, Alan Posener: Die bittere Bilanz der deutschen Filmförderung

Das ist auch Thema der Urheberrechtsdiskussion
Das ist auch ein Thema der Urheberrechtsdiskussion, denn es macht die Forderung, jedem Steuer- und Rundfunkgebührenzahler öffentlich-rechtliche Produktionen grundsätzlich und ohne Ablauffristen in den Mediatheken zugänglich zu machen, gleich viel verständlicher: Er hat mehrfach dafür bezahlt (mit Förderung und Senderbeteiligung ist ein Film jedoch immer noch nicht bezahlt, so einfach ist es nicht). Zu wie viel Prozent sich die öffentlich-rechtlichen Sender denn an den jeweiligen Filmen beteiligten, erfahren wir dann aber wieder nicht. Christiane Peltz weiß, (Komma!) zu wenig:

Drittens plädieren die Filmschaffenden für eine Reform des Rundfunkstaatsvertrags. Denn die durch die Haushaltspflichtabgabe bestens versorgten Sender sichern sich mit nur geringer Koproduktionsbeteiligung massiv die digitale Rechteverwertung – die den Produzenten dann fehlt.
Tagesspiegel, Christiane Peltz: Wünsch dir was!

Wenn, falls ich das (richtig) verstehe, greifen also die Sender Erträge ab, die ansonsten an die Produzenten und damit auch zurück an die Filmförderung gehen könnten? Also, die Sender nutzen die Filmförderung indirekt als Senderförderung? Das klingt schräg. Bevor ich hier Pferde scheu mache: Weiß jemand mehr?

Warum Alan Poser erst so deutlich macht, dass deutsche Filme kein Publikum finden, also keine Einnahmen erzielen, und dann aber fordert, dass große Produktionsfirmen doch bitte mit Wagniskapital und Darlehen statt Filmförderung arbeiten sollen, bleibt mir etwas unklar.

Dass Filmförderungen in Anbetracht der höheren Gewinn- und damit Rückzahlungschancen (und natürlich des Renommee) gerne amerikanische Produktionen in Deutschland fördern kann ich gut verstehen. Aber auch die deutschen Produzenten, die sich beschweren, dass bei Clooneys Monuments Men schon mal 8,5 Millionen Euro aus „ihrem“ Topf verschwinden.

Was mir bei der ganzen Diskussion fehlt ist die Frage danach, ob und wie Filmförderung die Qualität der Filme unterstützen kann. Filmförderung macht es einerseits möglich, Filme zu finanzieren, die so durchschnittlich sind, dass sie in einem tatsächlichen Wettbewerb keine Chance hätten und niemals produziert worden wären. Es gibt für Filmemacher keine Notwendigkeit gute Filme zu machen, weil auch durchschnittlich und sogar schlechte Filme aus Steuergeldern finanziert werden können. Und gute deutsche Filme gehen in der Menge anderer Filme derart unter, dass sich die dafür notwendige Mehrarbeit nicht rechnet (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Die Frage, ob und wie Filmförderung die Qualität der Filme unterstützen kann.
Umgekehrt braucht ein Film aber um gut zu werden die Erlaubnis, scheitern zu dürfen. Wer sich gleich auf den Hügel des durchschnittlichen Films rettet, wird niemals den Berg des guten oder den Zehntausender des sehr guten Films erklimmen können. Denn der Weg führt durch das Tal des gar-kein-Film, und vielleicht findet man aus diesem Tal nicht mehr hinaus. (Frei nach einer Metapher von John Vorhaus (The Comic Toolbox)). Wir kennen das Problem von schlechten Hollywood-Filmen, bei denen finanzielle Sicherheit vor Qualität geht. Gerade wir Autoren und Dramaturgen wissen aus unseren Geschichten, dass man für das Happy End die comfort zone verlassen muss, dass man erst etwas aufs Spiel setzen muss, um etwas größeres zu erreichen.

Die Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen sagt (Link):

Den DFFF zu kürzen […] ist unverständlich, sachlich falsch und eine für das Filmland Deutschland im Ergebnis schlechte Entscheidung. […] Die absehbar negative Entwicklung wird alle, die in unserem Land für den Film arbeiten, deutlich spürbar treffen.

Oh je.

Nachtrag vom 24.11.2014:

Alan Posener hat bei Twitter auf unsere Frage reagiert, warum der Artikel unter der Kategorie Wirtschaft und nicht Kultur erschienen ist:

@Filmschreiben weil die Filmförderung nachweislich nichts mit Kultur zu tun hat. — Alan Posener (@APosener) 23. November 2014

Nachtrag vom 27.11.2014 (von Ron):

Der Geschäftsführer des FilmFernsehFonds Bayern Prof. Dr. Klaus Schaefer hat mit einem offenen Brief auf den Artikel von Alan Posener in der WELT reagiert (Link).  Er beschuldigt den Autor, einer „bedauerliche Stimmungsmache, die überwiegend auf falschen Erkenntnissen, schlechter Recherche oder unzutreffenden Rückschlüssen beruht.“

Seiner Meinung nach geht es bei der Filmförderung

um Förderung des Kulturguts Film […] Nur mit Hilfe der Förderung kann sichergestellt werden, dass wir auch im Film […] unsere eigene Identität gegenüber dem im audiovisuellen Bereich weltumspannenden Amerikanismus behaupten können. Eine Abschaffung der Filmförderung würde (wieder einmal) die Abwanderung der besten und kreativsten Köpfe dieser Kultursparte aus Deutschland zur Folge haben, was sich niemand wünschen sollte.“

Aus meiner Sicht ist der letzte Punkt eine Behauptung, die durch nichts zu belegen ist. Es würde zwar viele Köpfe weniger geben, aber wir haben ohnehin zu viele, und die Frage ist, ob es mehr gute Köpfe weniger geben würde oder mehr schlechte.

Alan Posener hat seinerseits auf die Vorwürfe von Schaefer reagiert (Link) und weist die „Unterstellung“ der „Stimmungsmache“ zurück. Er kritisiert

Eine Förderung, die […] zu einer Überproduktion von Filmen (inklusive Fernsehfilmen) führt, die weder am Markt reüssieren noch kulturell wertvoll sind […] Besonders scharfe Kritik übe ich an der Förderung von Fernsehfilmen durch öffentliche Mittel.“

Blickpunkt:Film stellt sich auf die Seite von Schaefer und wirft Posener mangelende Differenzierung vor (Link).

We can cover that by a line of dialogue...

    Hast du deinen Text vergessen?

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Mit dem Klick auf „Kommentar absenden“ wird der Speicherung der angegebenen Daten sowie des Zeitstempels zum Zwecke der Darstellung des Kommentars und des Spamschutzes zugestimmt. Für eine nachträgliche Löschung bitten wir um eine Mail an uns von der entsprechenden Adresse. Siehe auch: Datenschutzerklärung.