Theorie tl;dr: Über Mythos und Kunst

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute das erste Kapitel „Was ist ein Mythos?“ aus Eine kurze Geschichte des Mythos von Karen Armstrong.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

Caren Armstrong: Ein funktionierender #Mythos ist Orientierung, gibt Einsicht in den tieferen Sinn unseres Lebens, fragt: »Was wäre, wenn?« — Arno (@filmschreiben) 24. Januar 2015

In 50 Worten (Was ist das?): Mythen sind Ergebnisse der Sinnsuche des Menschen, der sich Geburt und Tod bewusst ist und damit umgehen muss, mit den Fragen, was vor dem Leben war, was nach dem Leben kommen wird. Ritual, Kunst, Spiel sind Ausdruck dieser Sinnsuche. Fantasie lässt uns diese Fragen stellen, sie lässt sie uns beantworten.

Die Erkenntnis: Caren Armstrong vergleicht den Mythos mit anderen Fiktionen wie Roman, Oper und Ballett und vielleicht lässt sich auf diese und alle Fiktionen grundsätzlich anwenden, was sie über den Mythos sagt: Dass er dadurch wahr werde, dass er wirkt. (Und nicht etwa dadurch, dass er Fakten darstellt wie die Geschichtsschreibung; Mythen sollten keine Geschichtsschreibung sein, das sei ein großer Irrtum.)

In Bezug auf rituelle Grabbeigaben der Neandertaler beschreibt Armstrong fünf Erkenntnisse über Mythen, die sich auch auf Film und Literatur beziehen lassen. Sie lassen sich vielleicht so zusammenfassen: Mythen befassen sich mit den Möglichkeiten des Unbekannten, besonders mit Erfahrungen mit dem Tod und der Angst des Menschen davor, zu verschwinden. Die Realität ist eine Möglichkeit, die positivste Möglichkeit ein anderes, positiveres Dasein, eine andere Ebene, eine göttliche Welt. Mythen sollen Menschen verändern, und ihr Verhalten beeinflussen. Ein Ausdruck dieser veränderten Handlungen sind Rituale.

Das Zitat:

Die stärksten Mythen befassen sich mit Extremen, sie zwingen uns, über unsere Erfahrung hinauszugehen. […] Mythen handeln von Unbekanntem, von Dingen, für die wir anfangs keine Worte haben. Der Mythos eröffnet also den Zugang in ein großes Schweigen.

Von besonderem Interesse: Laut Caren Armstrong ist der Mythos, wie alle Fiktionen eine fantastische, spielerische Suche nach Antworten auf Fragen, die uns bewegen. Weil uns die Fragen bewegen, kann die Suche nach Antworten wirken. Fantastisch und spielerisch deshalb, weil das Nachdenken über Möglichkeiten Fantasie und Spiel ist. Das wäre ein schöner Ansatz um die Besonderheiten des Videospiels und ihres Erfolgs im Vergleich zu Literatur und Film zu untersuchen, erklärt dann aber nicht, den sehr geringen Erfolg des Gesellschaftsspiels im Vergleich zu Literatur und Film.

Gutes Schlusswort:

In der Kunst, die frei ist von Zwängen der Vernunft und Logik, ersinnen und kombinieren wir neue Formen, die unser Leben bereichern und uns, wie wir glauben, etwas Wichtiges und tiefgründig »Wahres« sagen.

Karen Armstrong: Eine kurze Geschichte des Mythos, I. Was ist ein Mythos. Auf Amazon.com kann man in das englischsprachige Original reinlesen (Link), mir liegt die Übersetzung von Ulrike Bischoff für den Berlin Verlag vor.

We can cover that by a line of dialogue...

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