Wenn die Story steckenbleibt: Wieder ins Schreiben kommen

Wir haben also damit begonnen, endlich (!) die Geschichte, die wir erzählen wollen, aufzuschreiben. Begonnen damit, sie in Regieanweisungen und Dialoge zu verpacken. Wir sind schon mittendrin. Alles liegt vor uns ausgebreitet – die Figuren, die Konflikte, die Handlungsebenen. Der Anfang und das Ende. Jetzt müssen wir nur noch schreiben. Eigentlich. Und dann passiert es, vielleicht mitten an der spannendsten Stelle des 2. Akts: Wir geraten ins Stocken, werden beeinflusst von neuen Gedanken, die uns weismachen, womöglich zu Recht, dass das noch nicht die beste Variante ist, wie wir diese Geschichte erzählen können.

Und da ist sie, unsere Krise, und, im schlimmsten Fall, die Schreibblockade. Auf einmal geht nichts mehr, wir können nicht mehr vor und nicht mehr zurück, haben einen Knoten im Kopf, der gelöst werden will, bevor wir weiterschreiben können. Denn schreiben wollen wir. Nur dass die Story sich dagegen sträubt. Auf einmal beginnen Figuren mitten in der Geschichte ein Eigenleben zu entwickeln, und der Fortgang, den wir so schön in einer Folge von Post-its an der Wand oder in einer Tabelle oder in einer Outline festgehalten haben, zeigt sich irgendwie nicht mehr so zusammenhängend. Aber wie kommen wir wieder rein ins Schreiben, und wie bringen wir unser Drehbuch zu einem Ende, das uns gefällt und das der Story gut tut?

Einen Schritt zurücktreten

Wenn wir das Gefühl haben, dass unser Plot sich in eine andere Richtung bewegt als wir ursprünglich geplant haben, ist es an der Zeit einen Schritt zurückzutreten und die Geschichte noch einmal aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Besonders anschaulich lässt sich das machen, wenn wir unseren Plot zuvor sprichwörtlich an der Wand ausgebreitet haben. Auch während wir schon schreiben, hängt der Plot weiterhin sichtbar im Raum in Form von Handlungssträngen, Beat Sheets oder verschachtelten Figurenkonstellationen. Je mehr Material wir an der Wand versammelt haben, desto mehr Möglichkeiten haben wir auch, eine bestimmte Stelle des Plots heranzuzoomen und die Handlungsstränge von dort aus in alle Richtungen abzuklopfen. Umgekehrt sorgen zu viele Zettel, zu viele Ideen aber auch dafür, dass wir uns unter Umständen ver-zetteln oder das eigentliche Thema unserer Geschichte aus den Augen verlieren.

Ich glaube, dass es durchaus sinnvoll ist, unserer eigenen Geschichte ein Ohr zu leihen und sehr genau zuhören, was sie uns zu sagen hat. Denn wenn sie ein Eigenleben entwickelt und sich vom ursprünglichen Plot wegbewegt, ist das ein Zeichen dafür, dass die Grundanlage zwar funktioniert, wir dem Plot aber vielleicht eine andere Richtung geben sollten. Indem wir also vor unserer sprichwörtlichen oder sinnbildlichen Wand zurücktreten und entweder das große Ganze oder aber nur einen kleinen Ausschnitt noch einmal genauer betrachten, lassen wir zu, dass sich die Geschichte verändern darf. Wichtig ist an dieser Stelle das Wörtchen DARF: Es ist kein Muss, denn letzten Endes sind es immer noch wir Drehbuchautoren, die eine Veränderung, also die Möglichkeit die Geschichte anders zu erzählen, annehmen oder aber auch ganz bewusst ablehnen, um den Plot in eine bestimmte, von uns so gewollte Richtung zu lenken.

Das Problem formulieren

Manchmal liegt der Grund, warum das Schreiben ins Stocken gerät, an der Geschichte, in anderen Fällen liegt er an uns selbst. Vielleicht haben wir Angst vor der schieren Masse der Seiten, die noch vor uns liegen. Ein einfacher Trick, diese Masse zu verkleinern, ist sie aufzuteilen, ein Drehbuch in seine Akte oder noch kleinere Sequenzen zu zerlegen und sich etappenweise voranzuarbeiten.

Fällt es uns dennoch schwer, am Ball zu bleiben und Seite um Seite „abzuarbeiten“, ganz egal ob es an der Geschichte oder an uns liegt, bringt es in der Regel wenig, verbissen nach Worten zu suchen, mit denen sich die Seite füllen lässt. Spätestens bei der Überarbeitung, in der zweiten oder dritten Fassung, fallen diese Stellen dem Rotstift zum Opfer und werden verändert oder ersatzlos gestrichen. Wenn wir nicht weiterkommen, sollten wir aufhören.

Aufhören, die Tastatur zur Seite schieben, das Dokument schließen und uns mit etwas anderem beschäftigen. Vielleicht kommt die nächste Idee von ganz allein. Vielleicht müssen wir ihr auf die Sprünge helfen. Sobald wir das Problem, das uns am Schreiben hindert, identifiziert haben, gibt es dafür auch eine Lösung. Ein Trick, um der Lösung näher zu kommen: Abends vor dem Schlafen das Problem formulieren. Ist nämlich das letzte, woran wir vor dem Einschlafen denken, unser Schreibproblem, aktivieren wir das Gehirn, das in der Schlaf- und Traumphase daran arbeitet. Und vielleicht haben wir beim Aufwachen schon eine Lösung im Kopf, vielleicht aber auch nur einen Ansatz. Aber immerhin.

Der Blick von außen

Haben wir es mit einem größeren Problem zu tun, und die Geschichte will sich vor unseren Augen nicht entwirren, bleibt oftmals nur der Weg, sich Hilfe von außen zu holen. Das kann ein Dramaturg sein, ein Co-Autor oder Regisseur oder ganz einfach der beste Freund oder Partner. Nicht umsonst heißt ein geflügeltes Wort „Vier Augen sehen mehr als zwei“: Der unverstellte Blick von außen, von einer Person, der wir vertrauen, die aber noch nicht mit dem Stoff, an dem wir arbeiten, in Berührung gekommen ist, kann Wunder bewirken.

Wunder insofern, als sich im Gespräch über Story und Plot plötzlich Falltüren, Hindernisse oder Lücken offenbaren, die wir überhaupt noch nicht (oder nicht mehr) gesehen haben. Wir sind so tief mit der Geschichte verwachsen, so fest in ihr verwurzelt, dass wir uns einige Fragen gar nicht mehr stellen. Dafür braucht es jemanden, der objektiv von außen auf die Story schauen kann, der Fragen stellt und Antworten verlangt. Können wir diese Antworten nicht geben, oder können Probleme nicht zufriedenstellend gelöst werden, haben wir ein Element unseres Plots gefunden, an dem wir arbeiten müssen.

Weiterschreiben

Haben wir das Problem, das unsere Story ins Stocken gebracht hat, erkannt und eine Lösung gefunden, ist es meistens ganz leicht, weiterzuschreiben. Wir können mit neuem Elan in den Schreibprozess starten. Entweder beginnen wir noch mal von vorn, oder wir steigen an der Stelle wieder ein, an der wir aufgehört hatten. Stilistische Lücken lassen sich in der nächsten Drehbuchfassung füllen, dafür lohnt es sich nicht zurückzugehen.

Und wenn wir wieder auf ein Problem stoßen oder die Story sich gegen uns wehrt? Dann gehen wir erneut auf Fehlersuche, betrachten die Geschichte von Ferne oder mit einem Gesprächspartner, bis die erste Fassung vor uns liegt.

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