Write what you know or write what you love? – Warum Wissen und Begeisterung unzertrennliche Geschwister sind

Wenn es daran geht, ein neues Projekt zu planen, stellt sich unweigerlich die Frage, was das Thema sein soll. Angehenden Autoren, und zwar unabhängig davon, ob Drehbuch- oder Romanautoren, wird oft geraten, über etwas zu schreiben, das sie kennen und vielleicht sogar selbst erlebt haben. Aber sollten wir nicht viel mehr über das schreiben, was uns wirklich begeistert? Ein Thema, für das wir eine Leidenschaft fühlen?

Die Antwort ist leicht, und ich nehme sie einfach mal vorweg. Die Verfechter beider Theorien haben irgendwie Recht – und irgendwie wieder auch nicht.

Beides ist möglich (und erlaubt sowieso in einer Welt, in der Ausnahmen die Regel sind) und eigentlich gar nicht so leicht voneinander zu trennen. Und natürlich haben beide Varianten die gleiche Berechtigung. Egal, ob wir von unserem Wissen über ein Thema ausgehen und nach und nach Begeisterung dafür entwickeln, oder ob wir, weil wir uns für etwas begeistern, mehr darüber erfahren möchten: Als Autoren, und als Drehbuchautoren noch viel mehr sind wir, solange wir nicht im Auftrag eines Dritten schreiben, frei in dem, was wir uns vornehmen.

Die besten Drehbücher und Filme sind schließlich nicht daraus entstanden, dass den Autoren ein Thema aufgedrückt wurde. Es sind vielmehr die Stoffe, die in uns sind und die an irgendeinem Punkt unseres Lebens raus wollen.

Grundlage für den ganzen Rest: Eine gute Recherche

Entgegen weitläufiger Annahmen aus der Welt der Nicht-Filmemacher reicht es nicht, nur eine gute Idee zu haben, und schon wird ein Blockbuster draus. Wer denkt, es sei ja viel einfacher, über etwas zu schreiben, das er gut kennt, hat unter Umständen weit gefehlt. Ja, es gibt Ausnahmetalente. Klar gibt es die – ohne wäre die Filmwelt um ein paar Mythen ärmer.

„Do research. Feed your talent. Research not only wins the war on cliche, it’s the key to victory over fear and it’s cousin, depression.” – Robert McKee

Trotzdem: Wenn die Idee geboren ist, und sie ist zufällig eine aus unserem eigenen Lebensumfeld oder aus einer Thematik, mit der wir sehr vertraut sind, heißt das noch lange nicht, dass die Ausarbeitung weniger arbeitsintensiv ist. Vielleicht ist die grundlegende Recherche weniger aufwendig, aber dennoch stellt sich eine Reihe von Fragen, denen ausführlich und intensiv nachgegangen werden muss, bevor es an die eigentliche Story geht.

Das Leben adaptieren

Recherche ist also der Schlüssel zu einem guten Drehbuch? Ja und nein – die Recherche schafft die äußere Grundlage, aber wenn die Geschichte nicht funktioniert oder nicht schlüssig ist, machen auch die beste Recherche und das beste Setting sie maximal zu einem mittelprächtigen Stück Film. Also vielleicht doch über etwas schreiben, das uns begeistert?

Neben der Recherche ist die Leidenschaft oder Begeisterung für ein Thema ein weiterer Schlüssel zu einem guten Drehbuch. Besonders für junge Autoren und Neulinge auf dem Gebiet des Drehbuchschreibens ist es in der Regel einfacher, über ein Thema zu schreiben, mit dem sie vertraut sind, als sich auf völlig neues Terrain zu begeben.

Abseits davon, dass man die äußeren Fakten bereits im Kopf hat, sind Stoffe, die „aus dem Leben gegriffen“ wurden, häufig authentischer als solche, die man sich von Grund auf ausdenkt. Trotzdem sollte man hier Vorsicht walten lassen: Das Leben eins zu eins abschreiben macht auch noch kein gutes Drehbuch. Drehbuch und Film unterliegen eben ganz anderen Gesetzen als das echte Leben – deshalb sollten wir auch wahre Geschichten immer wie eine Adaption begreifen.

Begeisterung: Der Motor der Gedanken

Wenn mich ein Thema begeistert und die Story, die sich in meinem Projekt abspielt, mit Leidenschaft erfüllt, dann bekomme ich ein ganz besonderes Gefühl für den Stoff. So ist es schon immer gewesen: Wenn wir eine Sache richtig spannend finden, beißen wir uns daran fest und verbessern unser Wissen oder Können bis zur Perfektion.

“We rarely know where we are going; writing is a discovery.” – Robert McKee

Genauso empfinde ich es bei der Entwicklung eines neuen Stoffs. Erst wenn er nicht mehr raus will aus meinen Gedanken, entwickle ich eine Beziehung zu diesem Thema und beginne es von Grund auf mit einer tiefen Einsicht zu verstehen. Die Leidenschaft, mit der ich für diesen einen Stoff brenne, treibt wiederum die Story und meine Recherche an wie ein Motor.

So kommen Wissen und Begeisterung zusammen

Sich tiefgehendes Wissen über ein Thema anzueignen hat zur Folge, dass man ganz schnell zum Experten für dieses spezielle Thema wird. Die Motivation, sich damit zu beschäftigen, liegt wiederum darin begründet, dass es uns wirklich begeistert. Auf einmal sind die beiden ungleichen Geschwister (das kühle, analytisch-strukturierte Wissen neben der flammenden, um sich greifenden Begeisterung) ganz eng miteinander verbunden und werden quasi unzertrennlich.

Schreiben über etwas, das wir kennen, heißt ja nicht, dass wir auf eine kalte, wissenschaftliche Weise darüber schreiben wollen. Ein Drehbuch ist ja schließlich keine Abhandlung. Der Stoff ist reine Emotion, die Figuren treiben sie mit ihren Entscheidungen voran, und natürlich ist es dabei von Vorteil, wenn wir mit der Lebenswelt, in der sich die Figuren befinden, vertraut sind: Umso mehr glaubhafte Atmosphäre lässt sich erschaffen, umso realer liest sich die Szenerie.

Wenn wir uns also ein Thema vornehmen, das uns begeistert, dann werden wir für einen bestimmten Zeitraum zum Experten und erarbeiten uns genau das Wissen, das wir für dieses Projekt brauchen. Mit anderen Worten: Wie ein Motor treibt uns die Begeisterung voran. Und wenn das Projekt dann abgeschlossen ist, denken wir vielleicht für den Rest unseres Lebens nicht mehr darüber nach.

Wissen vs. Begeisterung: Dichotomie oder zwei Seiten der gleichen Medaille?

Von einer Sache begeistert zu sein, inspiriert uns dazu, diese Sache wissen und bis ins kleinste Detail kennen zu wollen. Mit dem Thema schließlich vertraut zu sein, gibt uns noch mehr Liebe, Begeisterung und Leidenschaft für diese Sache.

Sich mit einem tollen Stoff zu beschäftigen ist also eine Spirale, die sich selbst befeuert. Wissen und Begeisterung sind die zwei Seiten einer Münze, stehen für sich und sind doch untrennbar miteinander verbunden. Ohne ein gewisses Wissen oder zumindest eine Vorstellung von einer Sache zu haben, könnten wir uns wahrscheinlich auch nicht für sie begeistern. Und ohne uns dafür zu begeistern, würden wir wahrscheinlich auch gar nicht viel darüber wissen wollen.

Wenn jeder nur über das schreiben würde, was er kennt, wäre unsere Geschichtenvielfalt viel, viel kleiner. Schließlich wird nicht jeder, der eine spannende, krasse oder beängstigende Erfahrung macht, Autor. Dass wir uns Themen vornehmen, die uns interessieren, von denen wir gehört haben, und die uns seitdem nicht mehr los lassen, trägt also letztendlich dazu bei, dass wir einen Teil zur inhaltlichen Vielfalt der Film- und Fernsehwelt beitragen – eine gute Recherche vorausgesetzt.

4 Comments

  1. zykez

    Ich glaube nicht, dass man für Star Wars oder Avatar viel recherchiert hat, sondern schlicht damit beschäftigt war, eine glaubwürdige Welt zu erschaffen.
    Aber gut, Phantastik hat ja hierzuland eh kaum eine Chance, außer man macht es selbst.^^

    1. Februar 2016
  2. Aber beruht nicht eine glaubwürdige Welt letztlich auch auf Recherche? Ich glaube, man sollte den Recherche-Begriff nicht zu eng fassen – nicht nur das Lesen von Büchern über ein Thema, auch genreverwandte Filme oder kreativer In- und Output zählen für mich dazu. Wenn ich mich richtig zurückerinnere, spricht u.a. auch Syd Field in ihrem Standardwerk von kreativer Recherche.

    1. Februar 2016
  3. Ich habe zu Avatar mal gelesen, wie Sprachwissenschaftler dafür beauftragt wurden, die Na’vi-Sprache zu entwickeln. Auch oder gerade eine glaubwürdige fantastische Welt braucht sehr viel Recherche. Ökologie (im übertragenen, bei manchen Fantasywelten auch im biologischen Sinne) ist sehr komplex. Die Existenz der avatarschen Hammerhai-Nashörner fand ich zum Beispiel immer sehr zweifelhaft: Entweder würden die den dichten Wald nicht überleben, oder der Wald nicht sie.

    2. Februar 2016
  4. Wall-E

    Gerade Avatar lebt davon, dass die Macher ihre Welt mit Biologen zusammenausgearbeitet haben, ich finde die Welt sehr kenntnisreich.

    Noch mehr Filme über Filmemacher wollen wir das? Oder noch mehr Bücher über Schriftsteller? Ich glaube, wer schreibt, sollte schon eine gewisse Neugier mitbringen. Es gibt genügend Bauchnabelfilme- oder bücher. Mehr Neugier bitte!

    4. Februar 2016

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