Es gibt viele Wege, Inspiration für ein Drehbuch zu finden. Manchmal trifft eine Idee einen wie der Blitz: Auf einmal ist alles klar, zeichnet sich eine Story, ein Konflikt, eine Figur in allen Einzelheiten vor dem inneren Auge ab, und der Rest des Puzzles fügt sich wie von selbst zusammen.
Zugegeben: Das ist eher selten. Die Chancen stehen vermutlich schlechter als die, im Lotto zu gewinnen.
Dabei ist die Ideensuche der grundlegende Part des Drehbuchschreibens. Ohne zündende Idee keine Story, ohne Story kein Script. Wenn uns die passende Idee zum richtigen Zeitpunkt ereilt, sind wir mit Begeisterung dabei. Überhaupt schreiben wir ja am liebsten über etwas, das uns mit Leidenschaft erfüllt.
Manchmal aber hab ich das Gefühl, neue Stoffe entwickeln zu müssen, doch die zündende Idee, bei es mir sofort in den Fingern zuckt, lässt auf sich warten. Im letzten Teil der Schreibtechniken hat Michael Füting die Morgenseiten beleuchtet, die ein Weg zu neuen Stoffen sind, die aus dem Autoren oder der Autorin selbst kommen.
Ich möchte mich heute damit beschäftigen, Wege zu neuen Stoffen zu eröffnen, die von Außen an die Ideensuche herangehen. Das mag zunächst recht technisch klingen, aber ein bisschen Marktanalyse hat noch keinem Projekt in der Entwicklung geschadet.
Den Markt beobachten
Klingt langweilig – ist es auch. Marktanalysen waren noch nie mein Fall. Aber wenn es an die Stoffentwicklung geht, kommt immer irgendwann der Punkt, an dem man sich die Lage auf dem Markt vornehmen sollte. Dabei sollten wir bedenken, dass wir Autoren und keine Analysten sind, aber auch Abstand davon nehmen, uns als Künstler zu wichtig zu nehmen: Was nützt uns die beste Idee, wenn der Markt die im Moment einfach nicht will?
Indem wir den Markt beobachten, erkennen wir, was gerade beliebt ist. Dank Quotenmeter der Sender befinden wir uns leider immer noch in steinzeitlichen Verhältnissen – trotzdem können wir unsere ganz eigenen Informationen daraus ziehen, ob ein Programm gut oder schlecht gelaufen ist. Ist jetzt die richtige Zeit für Historien? Oder sollten wir uns lieber mit Zombies und anderen Wesen aus fremden Welten auseinandersetzen, um die Zuschauer vor den Bildschirm zu locken?
Marktbeobachtung heißt aber auch: Nicht nur die aktuelle Situation einschätzen, sondern die Glaskugel polieren und in die Zukunft sehen. Denn die eigentliche Schwierigkeit besteht in der zeitlichen Verzögerung. Was wir heute für publikumsaffin bzw. -wirksam halten, wird frühestens in 2 bis 3 Jahren gesendet. Deshalb müssen wir Autoren genauso wie die Sender und Multiplayer vorausdenken und vorausschauen: Welche Themen werden in ein paar Jahren den Nerv der Zeit treffen? Wie sieht Europa post Flüchtlingskrise aus? Gibt es noch ein Deutschland, wie wir es heute kennen? Rückt Europa näher zusammen oder bricht es auseinander? Und begegnen wir all dem lieber mit einem Sozialdrama oder einer Fantasy-Geschichte?
Was fehlt mir am Markt…
…. und gibt es vielleicht auch andere, denen dasselbe fehlt? Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit unserem Gefühl zum deutschen Film- und Serienmarkt nicht allein dastehen, ist groß. Ich z.B. bin begeisterte Serienkonsumentin, und das nicht erst seit Netflix, Amazon und Co. Und wer viele (gute ebenso wie nicht so gute) Serien sieht, weiß: Etwas wirklich Originäres zu erfinden gleicht der berühmten Nadel im Heuhaufen. Und trotzdem bin ich nie zufrieden. Es muss doch noch mehr gehen! Gute Serien führen uns vor Augen, auf welche grandiosen Ideen leider jemand anders gekommen ist. Nicht so gute Serien zeigen, wie man es besser nicht macht. Gute amerikanische Serien zeigen uns, wo wir niemals hinkommen werden und dass es trotzdem Wege gibt, im Rahmen unserer Möglichkeiten gutes Fernsehen zu machen.
Und da kommen die Autoren von morgen wieder ins Spiel. Was fehlt in der Film- und Serienlandschaft? Welche Aspekte können wir (neu) beleuchten und ihnen eine Geschichte geben? Wie können wir Schon Dagewesenes neu miteinander verknüpfen und genau die Serien erfinden, die der Welt noch gefehlt haben? Das gilt übrigens für den Film genauso wie für die Serie. Längst sind nicht alle Geschichten erzählt. Spätestens die Oscars (aus aktuellem Anlass) beweisen es und jedes Jahr aufs Neue.
Aktuelle Produktionen und ihre Schwachstellen
Dass ich nie mit dem was ich sehe, zufrieden bin, liegt u.a. auch daran, dass ich mir oft wünsche, die Macher hätten noch mehr aus ihrem Stoff herausgeholt. Und da können uns die Programme, die wir heute sehen, in mancherlei Hinsicht die Augen öffnen.
Um jetzt nicht wieder auf der deutschen Serie herumzuhacken, die derzeit tatsächlich einige Schritte in die richtige Richtung macht (ohne dabei bisher ihrem Zenit nahegekommen zu sein), bleiben wir bei unserer Ideenfindung. Film- und Serienstoffe von anderen zu bewerten, ist eine höchst subjektive Form der Rezension und daher mit Vorsicht zu genießen. Vielleicht sollten wir unsere Gedanken dazu manchmal für uns behalten. Aber wir können sie uns zunutze machen, indem wir für unsere eigenen Stoffe aus dem lernen, was uns an anderen Stoffen (positiv wie negativ) auffällt.
Kleine Übung für zwischendurch:
Nach einem Film/einer Serie eine kleine Aufstellung schreiben, was daran gefehlt hat, was man anders gemacht hätte. Wo wären interessante Twists gewesen, die aber nicht umgesetzt wurden? Wie hätte man die Figuren noch konfliktreicher miteinander verlinken können? Und was war eigentlich besonders gut gemacht? Die Liste ist beliebig erweiterbar.
Wenn es dann an die Entwicklung eines neuen Stoffs geht, helfen solche Notizen ungemein. Mir zumindest, denn in der heutigen schnellen Welt des Streamings weiß ich zugegebenermaßen schon nach 2 Wochen manchmal nicht mehr, welche Serien oder Filme ich zuletzt gesehen habe. Also: Aufschreiben und jeden Gedanken notieren, der mir zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch nutzlos vorkommen mag – er wird seine Berechtigung finden.