Die Notwendigkeit von Recycling im Film

Wenn die Gewohnte Welt bedroht wird, wenn die Bedrohung offenbar wird zieht die Heldin los, die Ursache der Bedrohung zu suchen und diese Bedrohung abzuwehren. Es gibt derzeit wenig, was unsere Gewohnte Welt so sehr bedroht wie Umweltkatastrophen, Erderwärmung und die daraus resultierenden und notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen.

Zumindest Aufmerksamkeit für diese Bedrohung schaffen wir Filmemacher hin und wieder, in Dokumentation wie More Than Honey oder Endzeitfilmen wie Wall-E. Als deutsches Beispiel fällt mir nur der vierundvierzig Jahre alte Smog ein, das kann aber auch an der Schwierigkeit liegen, solche Filme zu recherchieren.

Was dabei aber fehlt ist immer unser eigener dritter Akt. Unsere eigene Handlungskonsequenz aus der Erkenntnis, dass da bei Umwelt und Klima offenbar ein Problem besteht, das gelöst werden muss. So gut Filme darin sein können, diese Probleme und Bedrohungen darzustellen, es sollte uns auch um das Filmemachen selbst gehen: um den ökologischen Fußabdruck einer Filmproduktion.
Dabei geht eine Kunstbewegung völlig an uns vorbei: Recycling
In unserer Ignoranz geht dabei nämlich auch eine Kunstbewegung an uns vorbei, die höchst interessant und höchst relevant ist: Recycling. Doch eins nach dem anderen. Zunächst das Problem: der ökologische Fußabdruck einer Filmproduktion.

Wie viel Kurzstreckenflüge finden statt in Vorproduktion, Produktion, Postproduktion, Marketing? Wie viel Kupfer und wie viel seltene Erden stecken in der genutzten Elektronik, die wie unsere Alltagsgeräte binnen weniger Jahre veraltet? Wie viel Strom verbrauchen sie? Wie viel Benzin und Diesel wird bei ihrem Transport verbraucht? Wie viel CO2 ausgestoßen? Wie viel Wasser verschmutzt? Wie viel Fleisch am Set serviert? Wie viel Müll produziert?

Viele Informationen dazu finde ich nicht, besonders nicht zu deutschen Produktionen. Über die britische Filmindustrie schreibt Filmemacher Kaleem Aftab 2007 im Independent unter dem Titel Emission Impossible: »The reaction when you ask anyone in the industry about reducing environmental damage is generally a blank stare.«
»The reaction is generally a blank stare.«
Dabei geht es nicht bloß um den direkten Einfluss, den ein Dreh auf die Natur an dem Ort nimmt, an dem er stattfindet – aber auch. Dieser Einfluss, gemessen an der beeinflussten Fläche, dem Grad der Veränderung und der Dauer, die der Ort der Veränderung ausgesetzt ist, ist selbst bei großen Produktionen im Vergleich zu anderen gewerblichen Nutzungen gering. Schreibt Guy Castley von der Griffith University (Eats, shoots and leaves: what the movie industry does to ‘location’, The Conversation.) aus einem Land, das es wissen muss: Australien.

Es geht um die sehr kleinen Details. Um CO2 und Dieselabgase. In Los Angeles ist die gefeierte Filmindustrie nach der Ölindustrie der größte Luftverschmutzer. Unter dem aussagekräftigen Titel Hollywood gets a new role as Los Angeles‘ great polluter spottet Dan Glaister im Guardian, das Filmbusiness sei ja für seine viele heiße Luft bekannt. Und zitiert diesen schönen Satz: „People talk of ‚the industry‘, but we don’t think of them as an industry.“

Jetzt die gute Nachricht: Es gibt Lösungsansätze. Für 2012 und The Day After Tomorrow wurde beispielsweise ein CO2-Ausgleich finanziert, das Geld wird dann in Projekte gesteckt, die anderswo CO2-Ausstoß verringern. Für beide Matrix-Sequels wurde eine Organisation engagiert, die 97.5%, 11.000 Tonnen, des produzierten Mülls recycelte.
Reduktive Kunst, Recycle, Upcycling, Open Source
In dem oben genannten Independent-Artikel macht Aftab weitere Vorschläge, wie die Umwelt zu schonen – und dadurch sogar Geld zu sparen sei. Und in diesem Blog gibt es unter dem Titel Be a sustainable filmmaking hero noch mehr Tipps.

Doch einige Idee fehlen, die ich erst ganz woanders entdecken musste: In Architektur und bildender Kunst, und einem Buch namens Transformationsdesign der Soziologen Bernd Sommer und Harald Welzer, die darin die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Veränderung beschreiben. Vom expansiven Verbrauch unserer Ressourcen – auf Kosten anderer Menschen in anderen Ländern oder anderen Zeiten – hin zur Reduktion. Die folgenden Punkte sind diesem Buch entnommen:

Reduktive Kunst: Wie klein kann eine Zustandsveränderung sein, um etwas ganz Anderes, ganz Neues zu schaffen? Reduce, Reuse, Recycle: Jeder für eine Änderung nötige Aufwand muss durch eine Verbesserung gerechtfertigt werden. Upcycling: Die Verwendung von Vorhandenem zu neuen Zwecken. Open Source: Demokratisierung der Produktion.
Dass Filme Szenen anderer Filme nutzen ist nicht ungewöhnlich
Bezogen auf Film denke ich da an Tote tragen keine Karos, bei dem Szenen klassischer Film Noirs wiederverwendet und in einen neuen Kontext gebracht wurden, oder an Woody Allens Debut What’s Up, Tiger Lily? der den japanischen Film Kokusai himitsu keisatsu: Kagi No Kagi neu zusammensetzte und gänzlich anders vertonte. In eine ähnliche Richtung gingen vielleicht die sehr freien Brandtfilm-Synchronisationen, wenn man sie als eigenes Werk verstehen will.

Dass Filme Sets, Szenen und nicht-gezeigte Szenen anderer Filme nutzen ist doch dabei gar nicht so ungewöhnlich, jedoch leider noch eher verpöhnt. Prominentes Beispiele sind Bladerunner, dessen frühe Fassung Szenen aus The Shining enthielt, Time BanditsDie letzte Nacht der Titanic übernahm, oder Citizen Kane, in dem eine Szene vor dem Hintergrund von King Kongs Sohn läuft.

Solche Nutzung ließe sich durchaus fördern, gerade in einem derart geregelten Filmmarkt, wie es der deutsche ist. Filme könnten gedrehtes, aber ungenutztes Material zur Verfügung stellen. Es könnten einheitliche Regeln geben, wie Filmemacher Bildmaterial anderer Filmemacher neu vertonen könnten. Grundsätzlich sollte eine Priorität auf dem Erhalt von Filmen vor der Produktion von neuen liegen.
Es braucht System und eine Anstrengung existierender Systeme.
Um Filmemachern – und im Sinne der Demokratisierung der Möglichkeiten schließt das gestandene Filmemacher und Berufsanfänger ein – einen solchen Zugang zu öffnen, braucht es System und folglich eine Anstrengung der existierenden Systeme. Aber eine Anstrengung braucht es beim Thema Umwelt sowieso von uns allen. Und Anstrengung erwarten wir auch von unserer Heldin, die im ersten Satz losgezogen ist, das Problem zu lösen.

Dass Wieder- und Weiternutzung auch immer eine Herausforderung für das Urheberrecht ist, das wissen wir seit der Pop Art. Aber auch, dass es sich lohnt.

Bild: Miami U Libraries. Ein Manuskriptrest der zur Buchbindung wiederverwendet wurde.

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