Georg Elser – 1969, 1989 und 2015

Um etwas zum Thema Dokumentarspiel zu lernen, bietet sich zurzeit gerade das Thema GEORG ELSER an. Denn der Stoff wurde drei Mal verfilmt: 1969 als ARD-Dokumentarspiel DER ATTENTÄTER, 1989 als Kinofilm GEORG ELSER-EINER AUS DEUTSCHLAND und zurzeit im Kino: ELSER – ER HÄTTE DIE WELT VERÄNDERT. Die beiden früheren Filme kann man sich auf YouTube anschauen, es lohnt sich übrigens (DER ATTENTÄTER; EINER AUS DEUTSCHLAND).

Interessant sind schon die Titel: DER ATTENTÄTER ist einfach, klar, richtig – ohne jede Werbeabsicht. Das hatte die ARD 1969 auch nicht nötig. Leider ist die Einschaltquote nicht bekannt. Es müssen ungeheuer viele Menschen gesehen haben und in den Familien und Betrieben ist sicher darüber diskutiert worden, wie das bei TV-Spielen nur zu Zeiten weniger TV-Kanäle üblich war. Nur war die Bevölkerung der Bundesrepublik damals für solche Themen wohl noch nicht „reif“. Es kam emotional nicht an, das bewirkte bei Nazi-Geschichten erst die amerikanische Serie HOLOCAUST.

Was man zum Elser-Thema wissen muss: Hans Gottschalk (Buch) und Rainer Erler (Regie) machten diesen Film erst, nachdem sie Einblick in die Verhör-Protokolle nehmen konnten. Denn bis dahin galt nicht zuletzt wegen einer verleumderischen Spekulation von Martin Niemöller, der mit Elser zusammen im KZ Dachau einsaß, dieser Attentäter als Kollaborateur der Nazis. Ein so einfacher Mann, so Niemöller, könne so etwas nicht getan haben. Er meinte wohl, dass man dazu Intellektueller oder Adeliger gewesen sein müsste. Welch ein Irrtum!

Elsers Größe besteht eben in seiner einfachen und klaren moralischen Struktur. Und die Verhöre bewiesen den Nazis, dass er das ganz allein geplant und ausgeführt hat. Der erste Film war also auch eine Art Wiedergutmachung.

Als Dokumentarspiel ist er trotz einer puristischen Biederkeit, die von dem Schauspieler Fritz Hollenbeck noch verstärkt wird, immer noch sehenswert. Weil sich der Film ganz eng an die Protokolle hält und sich nur über den off-Text der Protokollführerin sparsame Rück-blenden erlaubt: Bilder des Bombenbaus und Einbaus in den Bürgerbräukeller. Bilder, die für die beiden nachfolgenden Filme offenbar maßgeblich waren. Auch gibt es Statements von Zeitzeugen. Um zu zeigen, dass der Attentäter ein ganz einfacher Schwabe war, tut der Schauspieler des Guten zu viel oder zu wenig. Georg Elser war mehr als dort zu sehen ist. Das zu zeigen bemühen sich die nächsten Filme.

Klaus Maria Brandauers Film GEORG ELSER – EINER AUS DEUTSCHLAND hebt im Titel schon darauf ab, dass es ein Einer und ein Einzigartiger war: 1938 im Deutschen Reich, als Hitler noch die volle Unterstützung des Volkes hatte und kaum jemand den Krieg ahnen wollte. Elser entschied sich bereits 1938 für das Attentat und arbeitete ein volles Jahr daran. Als es dann soweit war, am 9. November 1939 hatte der 2. Weltkrieg schon begonnen.

Der Film fußt auf einem Hollywood-Drehbuch und die Freiheiten, die er sich gegenüber der historischen Wirklichkeit nimmt, machen ihn im letzten Drittel schwächer. Hier wird nicht das Verhör als dramaturgische Struktur benutzt, sondern schlicht chronologisch erzählt. Es wird vereinfacht, indem sich Elser ein ganzes Jahr in München bzw. Bayern aufhält. Und man gibt ihm eine Amoure mit einer unglaubwürdig schönen Bürgerbräu-Kellnerin, die dann letztlich der Grund dafür ist, ein völlig falsches, sehr kinomäßiges Finale des Films entstehen zu lassen.

Erstaunlich ist nur, wie verantwortungsvoll uneitel Brandauer diese Rolle spielt. Und die Spitzen der deutschen Filmausstatter haben sehr gute Arbeit geleistet.

Oliver Hirschbiegels Film ELSER – ER HÄTTE DIE WELT VERÄNDERT vermag diesen etwas spekulativ anmutenden Titel zu rechtfertigen. Ein Dokumentarspiel muss man wohl so machen, wenn man gleichzeitig große emotionale Tiefe und Wucht erzielen will.

Die dramaturgische Struktur ist wieder das Verhör. Aber mit wirklichen Gegenspielern. Es war der Kripo-Chef Arthur Nebe, der die Verhöre geleitet hat und als Einziger versuchte, an Elser heranzukommen. Im Gegensatz zu den Gestapo-Leuten, die mit Folter aus Elser herauspressen wollten, was Ihnen in den Kram gepasst hätte. Ja, da wurde gefoltert und Hirschbiegel zeigt es bis zur Schmerzgrenze. Und er vollendet die Erzählung des Arthur Nebe, indem er in den Film einbaut, dass dieser Nebe wegen Beteiligung am Widerstand des 20. Juli gehängt wurde. Man sieht das minutenlang von hinten, von vorne die Kamera, die es für Hitler gefilmt hat. Im Zuschauer entsteht so immerhin die Möglichkeit, dass Nebe von der Persönlichkeit Elsers beeinflusst worden ist. So wie auch die Protokollführerin, die Elser ein Foto seiner Geliebten aus den Akten gibt. Das ist alles subtil angedeutet.

Überhaupt dieser Elser: erst in Hirschbiegels Film wird gezeigt, was für ein Mann das war. Dabei ist egal, ob das alles genau stimmt, wichtiger ist, dass es schlüssig ist.

Das Drehbuch hat ausgehend vom Verhör Assoziationen in die Vergangenheit zugelassen – vielleicht manchmal zu lang und zu exzessiv, aber es funktioniert. Der Zeitraum des Filmes beginnt viel früher und geht bis zum Tod Elsers 1945 in Dachau. Und erst so ergibt sich die vielschichtige Persönlichkeit dieses Mannes. Er war auch Musiker, spielte zum Tanz auf, war Frauenheld und Frauenliebling, hatte ein uneheliches Kind, suchte Lebensfreude & Erfüllung jenseits des grauenhaft primitiven faschistischen Massenwahns, war politisch bewusst, ohne irgendwo Partei-Mitglied zu sein. Und entscheidend: als er sich 1938 zu diesem Attentat entschloss, brach er alle Beziehungen ab, lebte quasi mönchisch auf sein Ziel hin und tat es. Dass und wie er erwischt wurde ist eigentlich ein Treppenwitz der Geschichte. Es sind die Bilder, die diesen Film groß machen, weil sie damalige Welten vermitteln können – gegensätzliche Welten. Grundlage dafür ist dieses Drehbuch von Fred Breinersdorfer und seiner Tochter Léonie-Claire.

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