Theorie tl;dr: Über Das Unheimliche

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute Das Unheimliche, ein Essay von Sigmund Freud.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

#Freud: Das #Unheimliche ist uns deshalb unheimlich, weil es verdrängte oder längst überwunden geglaubte Ängste und Vorstellungen anspricht. — Arno (@filmschreiben) 28. Januar 2015

In 50 Worten (Was ist das?): Ein unheimliches Gefühl entsteht durch Verunsicherung, wenn verdrängte infantile Ängste angesprochen werden, oder das Realitätsverständnis durch überwunden geglaubte, ebenso infantile, primitive, animistische Vorstellungen erschüttert wird. Das Unheimliche ist uns nicht fremd, es ist keine oder nicht ausschließlich intellektuelle Unsicherheit vor dem Fremden. Es ist uns vertraut, jedoch von uns entfremdet.

Die Erkenntnis: Erstens, Freud weiß immer noch mehr. Nach den Charaktertypen aus der psychoanalytischen Arbeit (Theorie tl;dr: Über das Überheben) begegnet er uns jetzt schon wieder, und es wird kaum das letzte Mal gewesen sein.

Zweitens, 50 Worte reichen manchmal nicht. Die letzten beiden Sätze meiner Zusammenfassung bedürfen noch ausführlicherer Klärung. Das Unheimliche ist uns nicht fremd, sondern vertraut. Freud erklärt das anhand einiger Beispiele und auch etymologisch. Nach einigem Nachdenken verstehe ich es vielleicht so:

Das Unheimliche ängstigt uns deshalb, weil es unser Selbst- und Weltbild erschüttert. Es spricht überkommene (verdrängte/überwundene) Ängste und Vorstellungen (von Geistern und Magie) in uns an, und zeigt uns dadurch, dass es das kann, dass also diese Ängste und Vorstellungen in uns doch nicht so sehr überkommen sind, wie wir von uns immer geglaubt haben. Wenn Freud von Entfremdung von diesem Vertrauten spricht, durch Verdrängung und Überwindung, dann ist das auch eine Entfremdung (diesen Begriff verwende ich hier höchstwahrscheinlich nicht wissenschaftlich korrekt) zwischen uns, in dem Moment in dem wir erkennen müssen, das wir jemand anderes sind, als wir dachten. Und das zu Erkennen, ist doch unheimlich.

Das Zitat:

Aber auf keinem anderen Gebiet hat sich unser Denken und Fühlen seit den Urzeiten so wenig verändert, ist das Alte unter dünner Decke so gut erhalten geblieben, wie in unserer Beziehung zum Tode. […] Der Satz: alle Menschen müssen sterben, paradiert zwar in den Lehrbüchern der Logik als Vorbild einer allgemeinen Behauptung, aber keinem Menschen leuchtet er ein und unser Unbewusstes hat jetzt so wenig Raum wie vormals für die Vorstellung der eigenen Sterblichkeit.

Von besonderem Interesse ist vielleicht, dass Freud die animistische Vorstellung von Geistern und Magie mit Narzissmus verknüpft. Geister bedeuten dem Narziss ewige Unsterblichkeit, Magie die Einflussnahme auf die Welt nur durch die Kraft seiner Gedanken, Allmacht.

Gutes Schlusswort: Hingegebenheit. Hingabe. Der Rezipient gibt sich dem Autor hin. Ich mich Freud, ihr euch mir, und wenn ihr gleich weiterarbeitet, bald viele euch.

Wenn er [der Dichter] z.B. eine Welt, in der Geister, Dämonen und Gespenster agieren, zum Schauplatz seiner Darstellungen gewählt hat, wie Shakespeare im Hamlet, Macbeth und im anderen Sinne im Sturm und im Sommernachtstraum, so müssen wir ihm darin nachgeben und diese Welt seiner Voraussetzung für die Dauer unserer Hingegebenheit wie eine Realität behandeln.

Sigmund Freud: Das Unheimliche, 1919. (Beim Project Gutenberg)

Update, 3.2.2015: Wir haben entschieden gemeinfreie Fachliteratur auch auf filmschreiben.de anzubieten. Wer weiß, was einmal mit dem Project Gutenberg, seiner Domain oder anderen Anbietern und ihren Domains geschehen mag. Damit die Texte immer zur Verfügung stehen und wir euch nicht auf Blödsinn verlinken: Sigmund Freuds Das Unheimliche auf filmschreiben.de.

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