Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute das Kapitel „The Basic Tools“ aus dem Selbsthilfebuch The Artist’s Way (Wikipedia (en)) von Julia Cameron (Wikipedia (en)).
In 140 Zeichen (Was ist das?):
Julia Cameron: Kreativität ist eine Quelle in uns, die zu leicht durch alltägliche Sorgen zugeschüttet wird, und selbst genährt werden muss. — Arno (@filmschreiben) 17. Dezember 2014
In 50 Worten (Was ist das?): Cameron stellt zwei Methoden zur Kreativitäts-Pflege vor: Die Morning Pages und das Artist Date. Während es bei der ersten um das Ausdrücken eigener belastender Sorgen geht, um sie los zu werden (wie beim Pickel) und den inneren Zensor zu überlisten, zählen beim Date neue Eindrücke, nämlich als Nahrung unserer Kreativität.
Die Erkenntnis: Morning Pages sind drei Seiten, die wir laut Cameron jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen schreiben sollten, um uns von Gedanken zu befreien, die zwischen uns und unserer Kreativität stehen. Das Artist Date ist ein einsamer gemeinsamer Ausflug, ganz allein mit unserem inneren Künstler, um uns neuen Eindrücken zu öffnen und dadurch unsere Kreativität zu nähren. Die Vorstellung, dass Quellen Ursprünge ohne eigenen Ursprung seien, mag meinetwegen vielleicht bis ins Mittelalter gegolten haben (ich weiß nicht?), aber ohne Regen gibt es keine Quellen.
Daneben sollen uns die Morning Pages von unserem inneren Zensor befreien. Denn niemand soll sie lesen, zu Anfang nicht einmal wir selbst: Das macht seine Kritik sinnlos. Neben amerikanischen Fans nennt Cameron auch eine deutsche Musikkritikerin und Musikerin, die wohl sehr begeistert war. Sie nennt nur den Vornamen, vielleicht war es Ingeborg Schober?
Wenn wir über Kreativität nachdenken, sollten wir das jedoch nicht nur für uns tun, sondern auch für unsere Figuren. Auch sie müssen kreativ sein, um ihr Ziel zu erreichen und um den Antagonisten zu überwinden. Auch sein müssen zu sich finden, und Cameron spricht diesen meditativen Aspekt ihrer Methoden ausdrücklich an.
Wenn in einem Strukturmodell wie den 8 Sequences auf den letzten, größten Kampf des zweiten Akts die „Romance Sequence with Inspiration“ folgt, sind das vielleicht genau die zwei Schritte „zur guten Idee,“ die Julia Cameron beschreibt: Das Freimachen von allem Störenden durch Ausdruck, hier Kampf, und schließlich etwas Zeit für Sensibilität, also einem Nachspüren, die mit einem neuen Eindruck belohnt wird, einer Inspiration, wie das Ziel doch noch erreicht werden kann.
Das Zitat: Selbst wer an den meditativen Charakter der Morning Pages nicht glaubt, den mag dieses Argument überzeugen –
It is very difficult to complain about a situation morning after morning, month after month, without being moved to constructive action.
Von besonderem Interesse (I) ist vielleicht, warum wir dieses Theorie tl;dr zum ersten Mal mit einem Bild beginnen. Nun, Cameron sagt:
The artist brain cannot be reached—or triggered– effectively by words alone. The artist brain is the sensory brain: sight and sound, smell and taste, touch.
Warum genau dieses Bild? Cameron begann mit den Morning Pages an ihrem Tisch in New Mexico, mit Blick auf den Taos Mountain, das Konzept der Pages gab es da noch nicht, nur eine innere Notwendigkeit. Vielleicht funktioniert der Taos Mountain bei euch ähnlich gut?
Von besonderem Interesse (II) ist vielleicht eine zweite gute Methode, den Gedanken zu widerlegen, dass wir in einer bestimmten Stimmung sein müssten um zu schreiben: Der Blog. Ich habe mich quasi verpflichtet, jeden Dienstag und Mittwoch mich hinzusetzen und ein neues Theorie tl;dr schreiben, kein aber. Vielleicht hat ja jemand von euch auch Lust, bei filmschreiben mitzumachen und das auszuprobieren – wir freuen uns sehr über Autoren und Gastautoren.
Gutes Schlusswort: Dieses Zitat über Sensibiltät gefiel mir sehr gut als Schlusswort –
Art is born in attention. Its midwife is detail. […] Art may seem to involve broad strokes, grand schemes, great plans. But it is the attention to detail that stays with us; the singular image is what haunts us and becomes art.
– und dann entdeckte ich Julia Camerons neusten Tweet:
Be certain of one thing: "the odds" of selling an original screenplay, novel, play, are a lot higher if you've written one.
— Julia Cameron (@J_CameronLive) 16. Dezember 2014
Julia Cameron: The Basic Tools (bei mistergo.wikispaces.com als PDF). In: The Artist’s Way. Sie stellt beide Techniken auch auf ihrer Website juliacameronlive.com vor: The Two Basic Tools, Morning Pages und Artist Dates.
Photo: Laura/Lochaven (Flickr), bei Wikimedia Commons unter CC BY-SA 2.0.