Theorie tl;dr: Über Erfahrungen und Erwartungen

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute aus Motivationspsychologie kompakt von Udo Rudolph, erstes Kapitel: „Was ist Motivation?“.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

Udo Rudolph: Wir Menschen sind einander Wunder und Schrecken; #Erfahrungen und #Erwartungen, Ursachen und Gründe bilden unsere Motivationen. — Arno (@filmschreiben) 2. April 2015

In 50 Worten (Was ist das?): Die Entscheidungen, die wir über unser Handeln treffen, haben Ursachen und Gründe. Ursachen sind Ereignisse aus unserer Vergangenheit, die uns und unser Verhalten beeinflussen, Gründe sind die Erwartungen, die wir an die Konsequenzen unserer Handlungen haben. Ursachen und Gründe motivieren und steuern unser Handeln, die Motivationspsychologie sucht nach ihren Prinzipien.

Die Erkenntnis: Dass wir uns als Autoren mehr für wissenschaftliche Psychologie interessieren sollten. Forscher sind sich nämlich uneins darüber, ob unsere alltägliche Laienpsychologie unserem gegenseitigen psychologischen Verständnis hilft oder eher im Weg steht. Wir sollten vielleicht mit dem Begriff des »psychologischen Erzählens« vorsichtiger sein und erst mal versuchen beide Standpunkte kennenzulernen.

Interessant ist für uns auch Rudolphs Beschreibung von Handlung: Eine Handlung setzt immer ein Wahlverhalten, also die Existenz von alternativen Handlungsmöglichkeiten voraus. Dass eine Entscheidung getroffen wurde, heißt nicht, dass sie gleich in die Tat umgesetzt wird, nennt sich Latenz. Handlungen werden mit unterschiedlichen Intensitäten umgesetzt. Und: Eine Handlung ist zu Ende, wenn ihr Ziel erreicht wurde oder der Handelnde aufgibt, laut Rudolph spricht man von der Persistenz oder Ausdauer des Handelnden.

Zuletzt: Die Zusammenfassung in 50 Worten macht es deutlich, Dramaturgie dreht sich quasi ganz allein um Motivation. Die ist nämlich verbunden mit Erwartungen, und Erwartung ist das, was uns als Zuschauer und unsere Protagonisten durch die Geschichte führt. Die Erwartungen werden erfüllt oder enttäuscht, und das sind unsere dramaturgischen Hoch- und Tiefpunkte.

Das Zitat: Interessant –

Die behavioristische Extremposition nimmt an, dass menschliche Emotionen „das Individuum vom monotonen Existieren als hoch perfekte biologische Maschine entbinden“ und somit irrationale Qualitäten haben (Watson, 1919, S. 194). Demzufolge schließen Emotionen und motiviertes Verhalten einander aus. Eine Gegenposition lautet, dass menschliche Motivation (das, was ich will) und motiviertes Verhalten (das, was ich tue) ohne emotionale Vermittlung gar nicht denkbar sind.

Von besonderem Interesse ist vielleicht ein alter Bekannter, der natürlich auch schon seinen Senf dazu geben musste: Schon Aristoteles hat zwischen „effektiven“ und „finalen Ursachen“ unterschieden: Erstere wirkten aus der Vergangenheit, letztere mit Blick auf die Zukunft, auf ein Ziel oder einen Zweck. Dem entspricht Rudolphs Unterscheidung in Ursachen und Gründe.

Das letzte Wort:

Dennoch besteht hierüber weiterhin Uneinigkeit: Nach manchen Theorien sind unsere alltäglichen (naiven) Auffassungen von Motivation zumindest ein erster großer Schritt auf dem Weg zu einer angemessenen Motivationspsychologie, nach anderen Theorien sind sie geradezu ein Hindernis.

Udo Rudolph: Motivationspsychologie kompakt.

Anmerkung (I): Für gewöhnlich versuche ich hier eine Möglichkeit anzubieten, in den besprochenen Text einmal reinzulesen; Links mit der Möglichkeit zum Kauf habe ich bisher vermieden, um keinem Händler einen Vorzug zu geben. Hier kann man das Buch beim Verlag aber direkt bestellen, also mache ich eine Ausnahme: Danke Verlag, fürs Verlegen. Und hier kann man noch etwas stöbern.

Anmerkung (II): Rudolph bezieht sich im ersten Kapitel viel auf Epikur; wir werden uns bemühen, entsprechende Texte von ihm in unseren Ressourcen zeitnah anzubieten.

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