Wir haben uns in den letzten Blogs mit Dialogen beschäftigt. Nun kehren wir noch mal zu den für Film beinahe gleichwertigen Regieanweisungen zurück. Sie machen nicht nur das Setting, also Orte, Zeit und Atmosphäre klar, sondern auch das Handeln der Menschen im Film.
Bevor der Darsteller seinen Mund aufmachen und reden kann, muss er erst mal da sein, irgendwo hergekommen sein und dann etwas aktiv tun oder reagieren. (Und das Sprechen selbst ist ja auch ein Tun…) Nichtsprachliches Handeln sollte man also unmissverständlich sprachlich klar machen können!
Wie macht man das am besten? Im Drama, denn Film ist Drama. Hausnummer: kurze Sätze, kaum Adjektive, starke Verben. Punkt ist meist Schnitt. Warum? – Wir schreiben keine Prosa, in der alles in größtmöglicher Anschaulichkeit dem Leser vermittelt werden muss. Damit bei ihm in seinem Kopf ein Film ablaufen kann. Sondern unseren Film sollen Schauspieler, Regisseur und Kameramann herstellen. Wir Autoren geben ihnen sozusagen klare „Bedienungsanleitungen“.
Kraftvoll, unmissverständlich und anschaulich.
Natürlich kann ein Film auch epischen Charakter haben, weniger Drama sein. Dann ist es durchaus erlaubt mit Adjektiven zu arbeiten. Wenn es sich zum Beispiel um Naturschilderungen handelt.
Aber das Handeln von Menschen lässt sich nach den Gesetzen der Grammatik am besten mit Verben ausdrücken. Das Verb ist definiert als Tätigkeitswort oder wie wir als Kinder gelernt haben als Tu-Wort. Im Deutschen steht es meist vor dem Objekt, oft aber auch hinten. Vorne steht das Subjekt, der Akteur. Dahinter das Verb. Und so wird es zum Zentrum des Satzes.
Genau betrachtet und gut gewählt, hat es alles in sich, was die Dynamik von Handlung ausmacht: Gegenwart, aber oft auch Vergangenheit und Zukunft. Für unseren Zweck der Beschreibung von Handlung sollte es kraftvoll, unmissverständlich und anschaulich sein. Es stellt das im Film so wichtige Körperliche dar.
Raus aus der Prosa-Ecke und der ausschweifenden Wortverliebtheit!
Ich muss ehrlicherweise von einer merkwürdigen Ausnahme berichten: bei meiner Lieblings-Regieanweisung in 40 Jahren Arbeit an Drehbüchern fehlte ein starkes Verb. Sie lautete ganz einfach: „Monatelange Sehnsucht.“ Welch eine Anregung für die Phantasie des Lesers, also des Filmteams.
Weitere Vorteile von Verben: sie imaginieren besser als alle Adjektive Timing und Dynamik. Genau das, was Schauspieler und Regisseure von Autoren fordern. Adjektive haben meist etwas Statuarisches und Innerliches.
Also, muss man raus aus der Prosa-Ecke und der ausschweifenden Wortverliebtheit, den Insignien des Romanciers, und sich viele schöne Worte abschminken. Wenn man Drehbuchautor sein will. Man sollte all die inneren seelischen Vorgänge durch Äußeres sichtbar machen können. Das bedarf einiger Anstrengung und Übung. Anton Tschechow, der große Dramatiker am Beginn der Moderne, hat das so ausgedrückt:
Am besten ist es, jegliche Beschreibung einer seelischen Handlung zu vermeiden. Man muss versuchen, sie durch Handlungen begreiflich zu machen.
Das dürfte ganz schön harte Arbeit sein. Die spontanen, ausführlichen Eindrücke, die beim Schreiben immer noch halb in den Köpfen der handelnden Figuren hängen, müssen bei dem Nach-Außen-Bringen reduziert, einfach, klar – und somit erkennbar werden.
Worum geht es denn, schwieriger Weise, beim Drehbuchschreiben? – Es geht darum, unverfilmbare Sätze zu vermeiden. Nur das schützt einen davor, dass man beim Anschauen des Filmes nach seinem Drehbuch seine so elementare Vorarbeit überhaupt noch wieder erkennt.
Als Drehbuchautor anbieten, was überzeugend ist.
Jeder unverfilmbare, also für den Zweck schlechte Satz muss von Schauspielern, Regisseuren und Kameraleuten weiter verarbeitet, also filmisch gemacht werden. Und wenn man dazu zu viel Raum gelassen hat – was wird dann aus den eigenen Ideen werden? Im schlimmsten Fall genau das, was man nicht gewollt hat.
Das heißt aber nicht, dass die Realisatoren unfrei sein sollten. Man muss ihnen als Drehbuchautor etwas anbieten, was einfach überzeugend ist. Dafür werden die dankbar sein. Und sie werden den Autor dafür respektieren und schätzen. Und wenn sie dann bei der Arbeit noch etwas verbessern können – aber nur im Sinne des Autors – dann sind am Ende alle glücklich. Sogar die Zuschauer!