Am 31. Oktober hat der VDD (nein, nicht der; der!) auf seinem Blog berichtet, die Initiative Urheberrecht begrüße das Vorhaben unseres damals noch zukünftigen EU-Kommissars für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Günther Oettinger, inzwischen im Amt, „große Online-Unternehmen wie Google zur Vergütung von Urhebern und ausübenden Künstlern heranzuziehen, wenn sie von den Werken dieses Personenkreises profitieren“ (Link).
Initiative Urheberrecht begrüßt Oettinger-Plan zur Einführung einer „Google-Abgabe“ http://t.co/VuAFfFsTQ3 — Drehbuchautoren (@vdd_drehbuch) 31 October 2014
Ich bin kein Jurist, ich finde Urheberrecht wahnsinnig schwierig. Wahnsinnig schwierig die bestehenden Gesetze zu verstehen, und dann noch herauszufinden mit welchem Sinn und welcher Intention sie entschieden worden sind. Wahnsinnig schwierig über mögliche neue Gesetze nachzudenken, wo doch so viele verschiedene Interessen zu beachten sind. Also wird das hier ein Auftaktartikel zum Thema Urheberrecht, und ich werde in den kommenden Wochen und Monaten (und Jahren?) mein Unverständnis verschiedener Aspekte des Urheberrechts darstellen, und mir Quellen und Gesprächspartner suchen, die mir das Urheberrecht erklären.
Solltet ihr mehr verstanden haben als ich: Ihr seid herzlich eingeladen mitzumachen.
Intention und Ergebnis des Gesetzes liegen weit auseinander.
Was also irritiert mich an der Meldung des VDD? Dass die Formulierung so furchtbar wage scheint, und dass mir das alles so bekannt vorkommt. Von den Zeitungen, von den Presseverlagen, vom Leistungsschutzrecht. (Kann man mit dem Wikipedia-Artikel etwas anfangen? Nein, wie bei so viele juristischen Themen.) Also das, das gerade gescheitert ist. Nicht als Gesetz an sich. Doch mit ihm wurde nicht erreicht, was eigentlich erreicht werden sollte. Den Verlagen ging es darum, Google für die Nutzung kleiner Auszüge aus ihren Artikeln, die Google dann den Nutzern gesammelt aufbereitete, zahlen zu lassen.
Google hat dann nach Verabschiedung des neuen Leistungsschutzrechts die Verlage um Erlaubnis gebeten, die Auszüge doch nutzen zu können. Und die Verlage stimmten zu, weil der Anteil der Besucher ihrer Nachrichtenseiten, der erst durch Google auf sie aufmerksam wurde so hoch war. Springer kapitulierte vor einigen Tagen als letzter Verlag, nach dem die Besucherzahlen um 80% eingebrochen waren (Quelle).
Doch Google macht weiter wie bisher, kleinere Nachrichtenaggregatoren sind ohne die Erlaubnis der Verlage vielleicht nicht mehr wettbewerbsfähig (?), was dann Googles Marktmacht noch stärken würde, und Privatpersonen sind verunsichert, ob sie im Web noch Artikel weiterempfehlen dürfen. Ursprüngliche Intention und Ergebnis des Gesetzes liegen weit auseinander. Wie wohl so oft im Urheberrecht: Wusstet ihr, dass der US Copyright Act mit „An Act for the encouragement of learning“ untertitelt ist, und der Patent Act mit „An Act to promote the progress of useful arts“? Sehr interessant.
Es gibt auch andere Formen von Gegenleistung.
Doch das kann man besser machen. Das ist nicht das, was gegen das Leistungsschutzrecht spräche. Was für mich dagegen spricht, ist das Gefühl, es sei nicht plausibel. Google macht Gewinn durch die Werke anderer, ja. Googles Leistung ist die Zusammenstellung, doch ohne die Arbeit der Journalisten gäbe es auch nichts zusammenzustellen. Aber: Die Journalisten machen Gewinn durch Google. Nachrichtenseiten profitieren von der Leistung Googles, der Zusammenstellung.
Es klingt erst einmal nicht ganz richtig, wenn jemand von der Arbeit anderer profitiert ohne dafür zu zahlen. Aber es gibt auch andere Formen von Gegenleistung, Google zahlt mit Aufmerksamkeit. Es mag Fälle geben, bei denen die Gegenleistung nicht angemessen ist, aber dafür gibt es dann auch Fälle bei denen die Gegenleistung weit mehr als angemessen ist. Meine wöchentliche Theorie tl;dr-Serie gibt es nur, weil es fremde Theorietexte gibt. Eine Gegenleistung von mir für diese ganzen klugen Köpfe existiert nicht. Vielleicht kauft ja irgendwann ein Leser eines der besprochenen Bücher, wer weiß. Gegenleistung nicht angemessen. Der Springerverlag bekommt durch Google fünf mal so viel Aufmerksamkeit wie ohne Google. Der Springerverlag! Gegenleistung weit mehr als angemessen.
So etwas gleicht sich doch aus. Ist der „Parasit“ klein, wie wir mit filmschreiben.de, dann fällt die Gegenleistung gering aus, oder ganz weg, ist er groß, wie bei Google, fällt die Gegenleistung sehr groß aus. Das eine Mal „verlieren“ die Urheber, das andere Mal gewinnen sie. Wir sollten das wirklich gelassener sehen. Denn die Urheber verlieren nicht mal, sie gewinnen nur nicht. Theorie tl;dr wird bestimmt niemanden davon abbringen ein Buch zu kaufen. Oettinger sagt „… wenn sie von den Werken dieses Personenkreises profitieren“. Die Frage, die aber wirklich zählt ist doch, ob dem Urheber Schaden zugefügt wird.
Lasst uns über Film sprechen.
Die Initiative Urheberrecht also begrüßt Oettingers Vorschlag, der für mich nach Leistungsschutzrecht klingt. In der Initiative sind viele verschiedene Kunstschaffende organisiert, doch lasst uns hier über Film sprechen. Inwiefern profitiert Google von der Arbeit Filmschaffender? Google zeigt mir an, welche Filme in welchen Kinos in einer beliebigen Gegend laufen. Ich weiß nicht, wie Google daran gewinnt, doch das Google Gewinn macht, davon ist wohl auszugehen, sonst gäb es dieses Angebot nicht. Es gewinnen das Kino und der Film , für das, für den ich mich entscheide. Hat ein Film dadurch weniger Besucher? Nein, kein Schaden.
Kanäle auf Google’s YouTube zeigen Filmtrailer. Ich weiß nicht, ob diese Kanäle diese Trailer zeigen dürfen, doch sollte dem nicht so sein, kann man kaum Google mit einer Art Leistungsschutzrecht dazu bringen, für Inhalte zu zahlen, die gar nicht da sein dürften? Gewinnt Google an diesen Trailern? Mit Sicherheit. Der Kanal? Unter Umständen. Der Film? Ja natürlich, das ist kostenlose Werbung. Hat ein Film dadurch weniger Besucher? Nein, kein Schaden.
Kanäle auf YouTube zeigen Filmszenen und Rezensionen mit Filmszenen. Gewinnt Google? Mit Sicherheit. Gewinnt der Kanal? Unter Umständen. Gewinnt der Film? Unter Umständen, je nachdem wie gut die Rezension ausfällt oder wie gut die Filmszenen sind. Hat ein Film dadurch weniger Besucher? Gleiche Antwort. Für die Qualität der Filmszenen liegt die Verantwortung beim Film selbst. Auch für die Qualität des Films. Und Rezensionen fallen mal gut, mal schlecht aus, und gleichen sich insgesamt wohl wieder aus. Nein, kein Schaden, es sei denn selbstverschuldet durch einen schlechten Film.
Welcher Schaden entsteht?
Kanäle auf YouTube verbinden Filmszenen in Remixes. Gewinnt Google? Bestimmt. Gewinnt der Kanal? Vielleicht. Gewinnt der Film? Schwer zu sagen, viele Filme haben aber durch ihren Eingang in die Popkultur sehr gewonnen. Hat der Film dadurch weniger Besucher? Ganz bestimmt nicht.
Was verspricht sich der VDD von einer Art Leistungsschutzrecht? Welcher Schaden entsteht Drehbuchautoren und anderen Filmschaffenden, für den es neuer Gesetze bedarf?
Dann kommt folgender Abschnitt:
Die Initiative Urheberrecht betonte, Vorbild einer solchen Vergütungsabgabe könnte die Erhebung der Vergütung auf Vervielfältigungsgeräte wie PCs oder Kopiergeräte und Speichermedien wie Memosticks etc. sein. Seit vielen Jahren hätten sich solche Vergütungen in der Mehrzahl der EU-Staaten bewährt. Dies schaffe Rechtssicherheit für die Herstellung privater Kopien und sorge für eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber.
Abgaben schaffen Rechtssicherheit? Ich wusste nicht, dass unser Stand als Urheber so schlecht ist, dass wir mit den üblichen verlogenen Lobby-Sinnlos-Argumenten arbeiten müssen.
Die genannten Abgaben auf „Vervielfältigungsgeräte“ waren doch noch nie richtig und fair. Man kann doch nicht auf die bloße Möglichkeit hin, die genannten Geräte könnten zur Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken genutzt werden, Käufer dafür zahlen lassen. Erheben Schokoladenhersteller Gebühren auf Kakao, weil man damit theoretisch genau die selbe Schokolade herstellen könnte, die sie verkaufen? Sollten Kinder auf ihre Wachsmalstifte zahlen, sie könnten ja ein Buch abschreiben?
Sollten wir nicht erst nach einem besseren Modell suchen bevor wir für ein schlechtes werben?
Und wenn man eine solche Abgabe einrichtet, müsste das dann nicht die Erlaubnis dafür sein, urheberechtliche Werke ohne Ende nach belieben hin und her zu kopieren? Für jede der 100 Kopien hat man doch eine Abgabe gezahlt. Sollten wir nicht erst nach einem besseren Modell suchen bevor wir dafür Werbung machen?
Das alles mag naiv sein, meinetwegen, aber dafür ist diese Ankündigung da. Aufgeklärte Meinungen folgen in den nächsten Wochen.
Der Sprecher der Initiative erklärte außerdem: „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Kommissar Oettinger; die noch offenen Fragen zum Urheberrecht, die er in seinem Interview beschrieben hat, werden wir ihm gern beantworten.
Dreist. Aber mir bitte auch.
Klingt ziemlich nach typischer Präventionskultur, die bereits seit Jahren von der Politik in vielen Bereichen vorgelebt wird. Es gibt ja schon eine ganze Weile Abgaben auf Datenträgern.
Urheberrecht ist wichtig und allein weil es jeden Menschen indirekt betrifft rechtlich ziemlich schwierig zu handhaben. Aber bei aller Detailiertheit sollte man nicht damit übertreiben, das Leistungsschutzrecht torpediert sich ja zum Teil auch selbst.
(zusätzlich getrieben von medialer Google’manie^^)