Theorie tl;dr: Über motivierende Dinge

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute der Aufsatz „Medienwissenschaft der Motive“ von André Wendler und Lorenz Engell.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

Wendler/Engell: Im #Film gibt es das handelnde #Ding wie es die handelnde #Figur gibt, imaginär und wirklich: Das kinematographische #Motiv. — Arno (@filmschreiben) 11. Februar 2015

In 50 Worten (Was ist das?): Film ist ein sinnliches Medium und so ist das kinematographische Motiv ein sinnlich wahrnehmbares, greifbares, visuelles, tönendes Ding, das sich von anderen greifbaren, visuellen, tönenden Filmdingen dadurch absetzt, dass es Handlungen motiviert, sowohl auf erzählerischer als auch medialer, darstellender Ebene. Seine Bedeutung transportiert es über die Grenzen einzelner Filme hinweg.

Die Erkenntnis: Während Umberto Eco letzte Woche den primären theatralischen (theatrische?) und filmischen Ausdruck mit Bewegung, Laut und räumlichem Verhältnis lebendiger menschlicher Körper bestimmte, regen André Wendler und Lorenz Engell (Wikipedia) an, im Film unbelebte Dinge wie Figuren zu begreifen. Sie nennen sie kinematographische Motive.

Jedoch nicht grundsätzlich: Im Film gibt es Dinge, die (noch) keine Motive sind, genauso wie es lebendige, menschliche Körper gibt, die (noch) keine Figuren sind. Sie sind dann einfach ob Mensch ob Ding Teil der Szenerie. Motiv werden sie dadurch, dass sie motivieren: Zum einen imaginäre Handlungen imaginärer Figuren des imaginären Plots, zum anderen wirkliche Handlungen wirklicher Filmemacher am wirklichen Set.

Hier muss dann auch die Unterscheidung zum Theater stattfinden, dessen Szenerie meist abstrahiert, auf das Wesentliche reduziert ist. Möglicherweise sind dadurch im Theater alle Teile der Szenerie auch Motiv in Wendlers und Engells Sinne, wenn auch kein kinematographisches, weil sie zwar zum Beispiel eine bestimmte Lichtsetzung motivieren, aber natürlich weder Kameraführung noch Montage.

Wendler und Engell nennen einige einleuchtende Beispiele, wie zum Beispiel den Revolver, der Figuren zum Schießen bringt, und Kameramänner zur Amerikanischen, oder die Jalousie, die Figuren zum Öffnen und Schließen, zum Verstecken und Beobachten, und den Beleuchter zum expressionistischen Schattenwurf des Film noir motiviert.

Das Zitat:

Für eine Motivforschung würde es als nicht genügen, einfach nur alle Vasen der Filmgeschichte zu sammeln, sondern man müsste angeben, wann und unter welchen Bedingungen Vasen bei der Konstitution von Mördern im Spiel sind, warum manche Vasen einfach nur Vasen bleiben, und warum andere wiederum über das Schicksal der verlassenen Filmheldin entscheiden (der Unterschied zwischen einer Vase mit weißen Lilien und einer Vase mit roten Rosen). Und man müsste angeben können, welche filmischen Operationen etwa in Montage, Kadrage, Licht- und Tonführung dabei anfallen.

Von besonderem Interesse ist vielleicht die Überlegung, inwiefern das kinematographische Motiv auch das Videospiel betrifft. Denn die Unterscheidung zwischen dem bloßen Ding als Teil der Szenerie und dem greifbaren, motivierenden Körper findet hier ganz besonders statt, nämlich dann, wenn nur mit ausgewählten Teilen, Gegenständen der Welt eine Interaktion für den Spieler überhaupt möglich ist.

In diesem Fall bezeichnet greifbar nämlich nicht nur das theoretisch Greifbare des Films, das einen Körper hat, aber vielleicht nie von einer der Figuren tatsächlich „gegriffen“ wird, sondern etwas, nach dem wir durch unsere Spielerfigur dank umständlicher Programmierung tatsächlich greifen können. Das deshalb vielleicht auch besonders von der Szenerie abgehoben ist, um den imaginären Spielercharakter und uns als echten Spieler zur Interaktion zu motivieren.

Das letzte Wort:

Nur in einem spezifischen Arrangement aus Kamera, Kadrierung, Licht, Objekten, Studiostrukturen, Figuren, Ton, Text ergibt sich etwas, das später als Handlung erkennbar gewesen sein wird.

André Wendler und Lorenz Engell: Medi­en­wis­sen­schaft der Motive. In: Zeit­schrift für Medi­en­wis­sen­schaft, Ausgabe 1, 2009. Bei diaphanes als PDF herunterladbar.

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