Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute der Aufsatz „Das Zeichen im Theater“ von Umberto Eco aus seiner Sammlung Über Spiegel und andere Phänomene.
In 140 Zeichen (Was ist das?):
Umberto #Eco: Die Darstellung menschlicher Körper und ihres Ausdrucks ist Zeichen und Ausdruck des Theaters und des Films, ist Theateraktion — Arno (@filmschreiben) 4. Februar 2015
In 50 Worten (Was ist das?): Theater (und Film) kommuniziert (/kommunizieren) primär durch die Darstellung von (menschlichen) Körpern als auf ihre Aussage hin reduzierte, abstrahierte Zeichen. Sekundäre Zeichen sind zum Beispiel Worte, Bühne, und Musik. Der Ausdruck der Körper durch Bewegung, Laute, und räumlichem Verhältnis zueinander ist die Theateraktion. Das Problem besteht in Intention und Interpretation.
Die Erkenntnis: Stellen wir uns folgende Frage
Was und wie können die modernen Techniken der semantischen Analyse zur Neubestimmung der Theaterfiktion beitragen, und inwiefern ist die Theaterfiktion ein privilegiertes Versuchsfeld für semantische und syntaktische Probleme wie den Gebrauch der grammatikalischen Zeiger in Bezugnahmesituationen?
nicht.
Umberto Ecos Ausführungen sind oben ganz gut zusammengefasst – mit Auslassung einer Sender-Empfänger Matrix, die das oben angesprochene Problem von Intention und Interpretation untersucht. Der Mensch und auch der Schauspieler (schöne Unterscheidung) senden Zeichen willentlich und unwillentlich, der Mensch und auch der Zuschauer (s.o.) empfangen Zeichen willentlich und unwillentlich. Der Mensch und auch der Zuschauer erkennt die Intention des Empfängers, oder erkennt sie nicht, oder erkennt, dass es keine Intention des Senders gibt, oder unterstellt sie ihm fälschlicherweise.
Im Theater und im Film wird das dann nochmal komplizierter, weil der Schauspieler zwei Sender ist, er ist er selbst und er ist die Rolle, die er spielt. Der Ausdruck eines Schauspielers kann immer beides sein: Fällt er aus der Rolle oder gehört das zum Stück? Schauspielert gerade der Schauspieler oder schauspielert auch die Rolle? Weil eine schlechte schauspielerische Leistung im Film geschnitten werden kann, tritt da eine solche Verwirrung natürlich seltener auf.
Eco spricht übrigens zwar von Theateraktion, bezieht aber ausdrücklich auch Film in seine Überlegungen mit ein. Ein Beispiel für gelungenen Ausdruck durch das räumliche Verhältnis von Personen (und Dingen?) zueinander ist ihm der ungarische Film Die Roten und Die Weißen (bei mir wohl irrtümlich übersetzt als Rote und Weiße) oder Sterne an den Mützen (Wikipedia) von Miklós Jancsó (Wikipedia) (1967). Der Autor (leider nicht genannt, meint er Jancsó oder vielleicht Gyula Hernádi (Wikipedia)?) habe instinktiv auf Modelle des Kommunikationsverhaltens zurückgegriffen.
Auf diese instinkthafte, „natürliche und spontane Erfindungskraft“ des „Theatermannes“ kommt Eco öfter anerkennend zurück, möchte aber quasi seine Hilfe anbieten um „diese Daten des Instinkts zu klären und zu perfektionieren“ und die Erfindungskraft zu „potenzieren“.
Während Eco durchgehend von menschlichen Körpern spricht sollten wir für den Film überlegen, ob da nicht das selbe für unbelebte Körper zutrifft. Viel mehr als Theater ist Kino auch ein Erzählen durch Dinge. Freuen wir uns fürs nächste Mal auf die Medienwissenschaft der Motive.
Das Zitat:
Und wenn der Betrunkene torkelt, verrät er dann ungewollt seine motorische Instabilität oder fingiert er das Torkeln, indem er spielerisch einen Betrunkenen darstellt, der torkelt, oder will er theatralisch einen Betrunkenen darstellen, der zu torkeln vorgibt, um glauben zu machen, er sei gar nicht betrunken (wobei dann die letzte Absicht des Schauspielers wäre, zu zeigen, dass die von ihm dargestellte Person tatsächlich betrunken ist)?
Das letzte Wort:
Ich biete nur Anmerkungen und Hinweise in der Hoffnung, dass jemand sie aufgreift.
Umberto Eco: Das Zeichen im Theater. Aus: Über Spiegel und andere Phänomene. Mir liegt die Übersetzung von Burkhart Kroeber vor, im Netz finde eine deutsche noch eine englische Übersetzung, das italienische Original gibt es bei Google Books (Il segno teatrale, Sugli specchi e altri saggi).