In der Dramaturgie geht es um Anstrengungen, Verletzungen, Angst, Schmerz. Weil es um Motivation und Werte, Liebe, geht. Ein Protagonist, der sich anstrengt, tut das für etwas. Ein Protagonist, der Verletzungen verwindet, sich seiner Angst stellt und Schmerz erträgt, hat Werte, deren Erhaltung wichtiger sind als das; hat Liebe für etwas, bereit dafür Opfer zu bringen. Das ist Dilemma, Drama: Die Entscheidung zwischen zwei gleichwertigen Zielen. Desto größer das Opfer, das erzählen uns Geschichten, desto größer ist die Bedeutung der anderen Entscheidungsmöglichkeit für ihn, desto größer ist seine Liebe und das macht ihn liebenswert.
Wir schreiben Film. Wir schreiben Figuren, Schauplätze, Dialoge: komische, tragische, sinnvolle, sinnlose. Doch was wir nicht, gut, viel zu selten schreiben ist: Action. Und ich spreche nicht von der entsprechenden Drehbuchformatierung, die im Englischen Action heißt, die wir hier mal mehr sinnvoll als Handlung, mal weniger sinnvoll als Szenenbeschreibung übersetzen. Ich spreche von der Action, die wir im Actionfilm sehen, dem ganz normalen, nicht besonders innovativen Actionfilmen des Hollywood-Kinos.
Action ist teuer, doch sie ist es auch wert.
Diese Actionfilme haben ein kreatives Problem, keine Frage. Action ohne Inhalt, ohne Sinn. Ein Problem, über das wir uns in Deutschland wohl niemals werden Sorgen machen müssen. Doch die Action, die wir dort sehen ist vor allem eines, und das ist es, was uns fehlt: Filmisch. Anstrengungen, Verletzungen, Angst, Schmerz in Ton und Bild? Action! Film heißt Körper, Raum, Bewegung. Physik! Es geht um physische Anstrengung, Verletzung, Bedrohung, physischen Schmerz.
Action ist teuer, doch sie ist es wert. Und wenn wir das Geld nicht haben und deshalb die Action besonders sorgfältig auswählen müssen, dann ist sie das ganz besonders wert. Eine Verfolgungsjagd kann gerne zu Fuß passieren, nur lasst es dann auch eine Jagd sein: Lasst sie laufen und schwitzen und scheitern und weiterlaufen, lasst uns die Anstrengung sehen. Kein kurzes, obligatorisches Hin und her, damit sich Kamera und Ton nicht bewegen müssen. Wenn ihr Anstrengung in eurem Film wollt (und das wollt ihr), dann strengt euch an.
Die Budgetschere wird schnell zur Qualitätsschere…
Action heißt auch, gerade im Kino, Zerstörung. Auch die haben dramaturgischen Sinn, es sind ebenfalls Opfer, die erbracht werden, wenn auch metaphorisch und vom eigentlichen Drama abstrahiert. Und auch das ist teuer, doch auch das ist es wert. Ob eine Glasscheibe zu Bruch geht oder nur eine Papierwand reißt, ganz egal, doch zeigt uns die Wucht, zeigt uns die Gewalt, zeigt uns ein physisches Aushandeln von Prioritäten und Werten. Wenn ihr Opfer in eurem Film wollt (und das wollt ihr), dann bringt Opfer.
Warum ich mich ärgere? Weil wir Autoren immer auch mit einer Budgetschere im Kopf schreiben (müssen), und dabei viel zu oft vergessen zu kämpfen. Denn die Budgetschere wird schnell zur Qualitätsschere, ganz unbemerkt, und ist dabei ganz erfolgversprechend für den Autoren. Denn wer freut sich nicht über ein niedriges Budget, trotz eigentlich nicht-gewinnorientierter Strukturen (leider nicht gleich gleich qualitätsorientiert) wie Filmförderungen und gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wenn unser Protagonist um etwas kämpfen soll (und das soll er), müssen wir wohl erst einmal selbst kämpfen.