FSE16: Kommunikation in der Stoffentwicklung

Es gibt wohl in jeder Branche wenig Sinnvolleres, als ein Zusammensetzen und Nachdenken der Gewerke über eine bessere Zusammenarbeit, die bessere Ergebnisse verspricht. Das ist öffentlich als Podiumsdiskussion auch auf FilmStoffEntwicklung geschehen.

Unter dem Titel »Zu Gast auf der FSE: Der Verband Deutscher Drehbuchautoren. Kommunikation in der Stoffentwicklung« diskutierten neben den Autoren Robert Hummel und Klaus Arriens und den Dramaturginnen Katrin Merkel und Inka Fromme auch Produzentin Britta Hansen und Redakteur Patrick Simon.

Öffentlichkeit und Situation des Gesprächs erwähne ich deshalb, weil die – vielen! – Zuschauer daran ihre Erwartungen justieren (meist: senken) mussten. Natürlich können die Ergebnisse eines solchen Gesprächs höchstens Impulse sein. Es ist dennoch schade, dass das beste Fazit des Abends sein muss: Gut, dass man miteinander spricht.

Denn wenn Patrick Simon eine alte Tradition des „Redakteuren-Bashings“ beklagt, sollte es ihm und uns nicht darum gehen, Aussagen, die damit gemeint sein könnten, nicht mehr hören zu müssen, sondern die ihnen zu Grunde liegenden Probleme zu lösen. Die müssen ja älter sein, als diese „Tradition“.
Viele Interessen im Werk, die dem Stoff völlig fremd sind.
Eines dieser Probleme ist dabei die Macht der Redakteure und die Ohnmacht der Erzähler – natürlicherweise eher ein Problem letzterer als ersterer. Damit geht dann auch eine eigentlich richtige Dankbarkeit für dieses Gespräch einher, die Diskussion und Moderation leider lähmt.

Das oft gebrauchte Argument, die Sender seien doch genauso abhängig von den Autorinnen und Autoren wie die Autorinnen und Autoren von den Sendern, ist dabei irreführend. Dem Sender reicht irgend ein Autor, auch der, der am wenigsten verlangt und dafür am wenigsten leistet: Die Aufgabe eines Redakteurs ist es, einen Sendeplatz zu füllen, nicht, einen guten Film zu machen.

Oder? Ist das die Aufgabe eines Redakteurs? Da braucht es doch Klarheit. Mit welcher Funktion ein Redakteur an einer Stoffentwicklung teil nimmt, ist zumindest für mich immer noch schwer zu fassen. Er trägt viele Interessen und Abhängigkeiten in das Werk hinein, die dem Stoff selbst völlig fremd sind. Etwas, wovor ich in der dramaturgischen Arbeit Autoren immer warne, weil es ihre Erzählung schwächen wird.
Wenn der Inhalt ohne Grund mit der Form kämpfen muss.
Dabei wird es doch höchste Zeit für ein Umdenken, und hoffentlich bevor das traditionelle Fernsehen sich und seine Formate an die Wand gefahren hat. (Leider findet ja oft genug erst nach der Krise die Erkenntnis statt.) Wenn Filme nicht auf Sendeplätze passen, dann ist das kein Problem der Filme, sondern ein Problem der Sendeplätze.

Das gilt noch mehr in unserer Zukunft des Digitalen. Dem Netflix-, dem AmazonPrime-, dem Mediathek-Nutzer ist es nicht nur wurscht, ob der Film oder die Serienfolge nach der er sucht den Anforderungen an irgendeinen Sendeplatz genügen, für ihn muss das höchst befremdlich sein, wenn der Inhalt ohne erkennbaren Grund mit der Form kämpfen muss.

Dass sind keine Themen dieses Abends, zu dem ich jetzt zurück kommen möchte. Aber es sind Gründe, warum es Offenheit für Veränderung von Sendern braucht. Tatsächlich gibt es da ja immer wieder Absichtserklärungen zur Veränderung, es gibt nur niemanden, von dem sich Sender verändern lassen wollen, schon gar nicht von Autoren. Vielleicht ist eigentlich diese Tradition zu beklagen.

FSE16, Zu Gast auf FSE, VDD
Photo: André Wunstorf. VeDRA, FilmStoffEntwicklung 2016.

Die Podiumsdiskussion an diesem Abend wird von Robert Hummel mit einer eigens dafür verfassten Szene eröffnet: „Ich stell mal, eine ketzerische Frage…“ Was darin folgt ist ein Buchbesprechungs-Super-GAU mit Redakteur, Produzent, Regisseur und Dramaturg in äußerst zugespitzten Rollen. Die Szene wird demnächst auf den Seiten des VDD und mit etwas Glück auch hier zu lesen sein.

Als Dramaturgin oder Dramaturg, und das kommt an dem Abend leider etwas kurz, sollte man sich vielleicht ein wenig mit der Zuspitzung der eigenen Rolle auseinandersetzen: Während die Geschichte des Autors zwischen den Zwängen und Wünschen von Redaktion, Produktion und Regie unter Qualen stirbt, versucht Hummels Dramaturgin verzweifelt sich mit Spannungsbögen auseinanderzusetzen. Das interessiert ganz zu Recht gerade niemanden.

Die an Hummels Szene anschließende Diskussion dreht sich um Erkenntnisse aus dieser fiktionalen, aber auch aus tatsächlich erlebten, realen Stoffentwicklungssitzungen. Die Diskutierenden einigen sich schnell darauf, dass jeder Beteiligte klar um seine Aufgabe und die Aufgabe der anderen Bescheid wissen muss. Das hätte mit Sicherheit auch unserer Dramaturgin geholfen.
Man wird weiter miteinander sprechen.
Doch wenn ein Redakteur den Sinn einer gemeinsamen Vision, also eines gemeinsamen Ziels, in Frage stellt, muss man sich wieder wundern. Und wenn er betont, Redakteure hätten sich inzwischen größeres Wissen (filmisches? erzählerisches? dramaturgisches?) angeeignet, dann klingt das nicht nach „Wir sprechen jetzt die selbe Sprache“, sondern fast nach „Passt auf, sonst brauchen wir euch nicht mehr.“

Den anderen Teilnehmern fällt dazu wenig ein, man muss sich eine bessere Vorbereitung wünschen. Auf die Frage nach Wünschen gegenüber den anderen Werken fällt den Autoren ein, dass sie gerne mehr Möglichkeiten hätten, Ideen zu pitchen, und das grundsätzlich schneller gelesen werden sollte. Strukturelle Probleme löst das nicht.

Ich wünsche mir, dass, wenn wir als Branche unsere nächsten Schritte in die Digitalität gehen, wir die Gelegenheit nutzen und uns von Videospielentwicklern inspirieren lassen. Spielmechaniken sind Entscheidungssysteme: Falsche Angebote und Anreize werden korrigiert, richtige ausgebaut. Und das nutzen Autoren und Firmen auch in ihrer eigenen Struktur. Sicherheit darf nicht Stillstand heißen.

Dass man miteinander spricht klingt nach einem enttäuschenden Fazit. Es kann aber, optimistischer, auch mit etwas Hoffnung verbunden werden: Man wird weiter miteinander sprechen. Und, nochmal pessimistisch: Die Not ist da.

Weitere Artikel zu den Veranstaltungen auf FilmStoffEntwicklung 2016 folgen.

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