FSE18: Film ohne Zuschauer

Die Podiumsdiskussion »Film ohne Zuschauer? Zu Gast bei VeDRA: AG Kino – Gilde e.V.« der diesjährigen VeDRA-Tagung FilmStoffEntwicklung hat Dramaturgin Angela Heuser (VeDRA) zur Moderatorin und den Geschäftsführer der AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater zu Gast: (Opernsänger und) Jurist Felix Bruder. Gemeinsam und mit dem Publikum diskutieren sie das schwere Schicksal deutscher Programmkinos und den schweren Stand deutscher Filme in der Kinoauswertung.

Bruders Schilderungen sind interessant: Die AG Kino-Gilde hat teils illustre Mitglieder, cinephile Arthouse-Enthusiastinnen und -Enthusiasten, die in ihren Kinos Gespräche, Lesungen und Diskussionen veranstalten, einem treuen, ihnen oft bekannten Publikum gern neue Geheimtipps empfehlen, es zur Not auch mal überfordern, und sich lieber als Kuratorinnen der Kunst Film sehen, als als Vorführerinnen, die »nur Play drücken«, wie Bruder es formuliert. Er vergleicht solche Kinos mit inhabergeführten Buchhandlungen.

Das Urteil dieser Liebhaberinnen und Liebhaber über die deutschen Filme, die sie ausstrahlen sollen, muss daher schmerzen, denn auch wenn es zugespitzt und die eigentliche Bewertung differenzierter sei, höre Bruder, erzählt er, oft: »Alles Mist!« Damit ist er hier bei FilmStoffEntwicklung eigentlich an der richtigen Adresse: Die Qualität eines Films entscheidet sich meist schon im Buch. Doch, wie zuvor schon Roland Zag gesagt hat: Die Wirksamkeit von Drehbuchtheorien mag groß sein, die Wirksamkeit der Dramaturgin in der Filmproduktion ist es nicht. Wir Dramaturginnen und Dramaturgen sollten unsere Arbeit für die Autorinnen ständig verbessern, so wie es Zag etwa durch seine Theoriefindung versucht –

»Film ohne Zuschauer? Zu Gast bei VeDRA: AG Kino - Gilde e.V.« FilmStoffEntwicklung 2018, Foto: Andre Wunstorf
FilmStoffEntwicklung 2018, Foto: Andre Wunstorf

Aber die Liste der Schwierigkeiten für die »Filmstoffentwicklung« ist lang: Dass deutsche Kinofilme bloß Fernsehfilme mit Kinoauswertung sind; dass deshalb journalistische Redaktionen formfremd und inhaltsfremd über Form und Inhalte der Filme entscheiden; dass schon zuvor Produktionsfirmen aus Eigeninteresse, Willkür oder vorauseilendem Gehorsam ähnliche Entscheidungen treffen; dass es kein Geld für die Zeit gibt, die ein gutes Drehbuch braucht, wie es schon einmal an diesem Tag bei der Frage nach Moral im Film problematisiert wurde; dass es besonders kein Geld für die Zeit gibt, die eine gute Filmidee braucht. (Außerdem braucht es endlich Vertriebsstrukturen für einen deutschen Indiefilm, vorher müssen wir auf viele Experimente und mutige Neuerungen verzichten.)

Ein Eindruck aus den Zahlen, die Bruder nennt ist dabei auch: Ob ein deutscher Film ein guter deutscher Film oder ein schlechter deutscher Film ist, spielt für die Besucherzahlen keine große Rolle. Ein deutscher Film ist ein »Film ohne Zuschauer«. Die anwesenden Gäste können Bruder und den Kinobetreibern deshalb kaum mit Rat dienen – und umgekehrt. Der gegenseitige Blick in die fremde Arbeit ist interessant, für Bruder hoffentlich genauso wie für die anwesenden Erzählerinnen. (Ich schließe einfach mal von mir auf meine Kolleginnen und Kollegen.) Aber eine gegenseitige Hilfe, tatsächliche Zusammenarbeit oder gemeinsame Aktion scheint eher unwahrscheinlich. Wobei Bruder aber das große Interesse seiner Kinobetreiberinnen betont, an Förderentscheidungen beteiligt zu werden.

Unabhängig vom Erzählerischen hilft vielleicht ein Rat aus Roland Zags Dramaturgie der Systeme, die der zuvor vorgestellt hat: Wirksamkeit herrscht nur noch im Kollektiv. Mit der Organisation in der AG Kino-Gilde haben sie dann schon mal viel richtig gemacht. Und vielleicht fällt uns Erzählerinnen und Erzählern ja doch noch ein, wie wir Menschen vom Kino überzeugen können. Der erste Akt jedes Dramas ist doch ein einziger Überzeugungsprozess: vom Ruf zum Abenteuer über Verweigerung, Einsicht, Tiefpunkt und Plan hin zur Entscheidung. Vielleicht braucht es mehr Erzählerinnen in der Bewerbung unserer Filme, die uns als Herold zum Kino, zum Abenteuer rufen.

Leserinnen und Leser, die am Tag der Dramaturgie andere Veranstaltungen besucht oder einen anderen Eindruck von den geschilderten Veranstaltungen bekommen haben, sind herzlich eingeladen eigene kurze oder lange Artikel zu ihren Erlebnissen, Begegnungen und Erfahrungen bei der diesjährigen FilmStoffEntwicklung einzureichen! Einfach per Mail an schreiben@arno.ruhr. Ein Einblick in die Veranstaltungen, die ich nicht besuchen konnte (etwa über Writers‘ Rooms in Deutschland), würde mich freuen.

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