Theorie tl;dr: Über Fragen und Antworten

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute der Artikel „Truth and Melodrama and Phil Spector“ von David Mamet.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

#David #Mamet: Im gut konstruierten #Drama entspricht der Moment der Erkenntnis des Protagonisten dem #Moment der #Erkenntnis des Publikums. — Arno (@filmschreiben) 3. Juni 2015

In 50 Worten (Was ist das?): Eine Frage führt zum und durch das Drama, ihre Beantwortung schließt es ab. Doch die Frage muss nicht von Anfang an offenbar, offensichtlich sein. Die Suche nach der Ursache, nach der Frage, und dann nach ihrer Beantwortung ist Teil vieler guter Dramen. Und das Publikum sucht gemeinsam mit dem Protagonisten.

Die Erkenntnis: Autor und Regisseur David Mamet (Wikipedia) hat zwei Ansprüche an das Drama. Zum einen, dass das Publikum die richtige Entscheidung zusammen mit dem Protagonisten trifft, sie also nicht vorher schon kennt, und nur darauf wartet, dass der Protagonist endlich auch drauf kommt. Zum anderen, dass die Suche nach der richtigen dramatischen Frage, die mit der Entscheidung beantwortet wird, Teil des Dramas ist.

Das macht er an einigen Filmbeispielen fest: In Casablanca erkennen wir erst nach und nach gemeinsam mit Rick, dass der richtige Umgang mit dem Verrat durch Ilsa von einst ist, nicht selbst zum Verräter zu werden (siehe auch: Wie funktionieren Liebesgeschichten?). In The Sixth Sense erkennt das Publikum zusammen mit Crowe erst spät, dass nicht er dem Jungen, sondern der Junge ihm hilft, mit dem Tod umzugehen. In Ladri di biciclette stellen wir plötzlich mit Antonio fest, dass es gar nicht um ein Fahrrad, sondern um den Umgang mit persönlichem Unglück geht. Genauso wie in Flight, in der alle anderen die Frage stellen, was für Pilot Whitaker ist, und er aber erst für sich herausfinden muss, dass seine Frage anders lautet: Was für ein Mensch er ist.

Das Zitat:

Here is the writer’s problem: The audience will foresee anything the Dramatist has foreseen – they will beat you to the punch every time, and figure out that The Butler Did It, unless the writer is prepared to undergo the same process as the Hero, that is, to follow promising clues to the point where they, and thus one’s conscious mind, are proved risible, and carry one’s humiliation down the next avenue, and the next, until one is stunned by the uselessness of one’s own mind.

Von besonderem Interesse ist vielleicht Mamets Anlass für seine Ausführungen: Phil Spector (Wikipedia (en)), ein Film, den er für HBO geschrieben und gedreht hat. Darin muss Rechtsanwältin Baden feststellen, dass sie niemals herausfinden wird, ob ihr Mandant Spector das Mädchen getötet, oder sie sich selbst umgebracht hat. Sie hat die falsche Frage gestellt, weil sie nie eine Antwort bekommen wird. Die richtige Frage ist eigentlich: Ist sie bereit, ihn trotz ihrer Zweifel so gut zu verteidigen, wie sie kann, weil nur durch diese Erfüllung ihrer Aufgabe, das Rechtssystem funktioniert.

Das letzte Wort:

The problem, or better, the challenge, for the Dramatist is, “How much truth can one discover, how much truth is one prepared to tell?” The audience, you and I, though sufficiently divided by race, wealth, intellect, politics and culture that any comment past the weather is likely to enrage, we, in the Theatre, are as one, when we see the truth.

David Mamet: Truth and Melodrama and Phil Spector. Auf seinem Medium-Blog.

We can cover that by a line of dialogue...

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