Theorie tl;dr: Über Wahrheit und Sinn

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute der Essay „Fenimore Cooper’s Literary Offenses“ von Mark Twain.

In 140 Zeichen (Was ist das?):

Mark #Twain: Eine schlechte Beobachtungsgabe macht einen schlechten #Autor, manchmal macht ihn das auch interessant: James Fenimore #Cooper. — Arno (@filmschreiben) 15. April 2015

In 50 Worten (Was ist das?): Romantische Literatur ist dann Kunst, wenn sie wahr- und sinnhaft ist. Wenn sie zum einen in sich integer ist und Realität nicht willkürlich und selbstgefällig ignoriert, und zum anderen, wenn sie ein Ziel verfolgt und eine Bedeutung transportiert. Verantwortung und Schlüssel dazu liegen beim Autor in seiner Fähigkeit zur Wahrnehmung.

Die Erkenntnis: Wie viel Spaß Literaturkritik machen kann, Twain hatte auf jeden Fall eine ganze Menge. Seine Regeln der romantischen Literatur sind gute Regeln: Zum einen fordern sie Realismus, zum anderen eine Aussage. Und: Ökonomisches Erzählen. Dichter heißen Dichter, weil sie Verdichten.

Es wird argumentiert, die betreffenden Regeln seien Regeln des Realismus, Twain würde also die Epoche, in der das betreffende Werk, James Fenimore Coopers Der Wildtöter, entstand ignorieren – was stimmt. Aber er beginnt das Essay mit drei Zitaten von Literaturwissenschaftler seiner Zeit, die Fenimore Coopers Werk in den höchsten Tönen loben, und Twain muss darauf so spöttisch reagieren, die Romantik ist quasi überholt.

Letzte Woche ging es um Ähnliches: 50 Jahre später fordert Raymond Chandler von Krimiautoren mehr Sinn für Realismus und eine Fragestellung, also eine Botschaft, die über das kriminalistische Problem hinausweist.

Das Zitat:

[…] When the personages of a tale deal in conversation, the talk shall sound like human talk, and be talk such as human beings would be likely to talk in the given circumstances, and have a discoverable meaning, also a discoverable purpose, and a show of relevancy, and remain in the neighborhood of the subject at hand, and be interesting to the reader, and help out the tale, and stop when people cannot think of anything more to say. But this requirement has been ignored from the beginning of the “Deerslayer” tale to the end of it.

Das letzte Wort:

A work of art? It has no invention; it has no order, system, sequence or result; it has no lifelikeness; no thrill, no stir, no seeming of reality; its character are confusedly drawn, and by their acts and words they prove that they are not the sort of people the author claims that they are; its humor is pathetic; its pathos is funny; its conversations are – oh! indescribable; its love-scenes odious; it’s English a crime against the language. Counting these out, What left is Art. I think we must all admit that.

Mark Twain: Fenimore Cooper’s Literary Offenses. Bei Wikisource.

3 Comments

  1. Urban queer (Lothar)

    Deine ganze Vorstellung geht anscheinend nicht ueber 150 Anschläge hinaus und die ganze epische Breite wird zusammengepresst, die es heutzutage anscheinend so wichtig macht, in einem Film gepresst zu werden. Ich würde dazu raten, einen Befreiungskurs von deinen Vorstellungen zu nehmen und für ca. 2 Jahre mal einfach mal zu versuchen, anfangen die Wolken ziehen zu sehen, das wetter auch mal ohne ohne Wetterdienst zu betrachten und die ganze Epische Breite auch mal gefühlsmässig versuchen zu spüren (kann evtl. auch noch fünf Jahre dauern) und die ganze Sache auch noch transformieren (könnte dich vielleicht auch überfordern) und zu merken, warum überhaupt Kultur entstanden ist.

    20. Juli 2015
  2. Das wurde ja schnell persönlich. Woran genau stößt du dich?

    Sprichst du von einer epischen Breite in Twains Essay oder Coopers Romanen? Stört es dich, dass ich versucht habe Twains Essay auf eine Erkenntnis zu reduzieren, oder stört es dich, dass sich Twain über Cooper lustig macht? Das habe ich noch nicht ganz verstanden.

    20. Juli 2015
  3. Hallo Lothar,

    ich lasse deinen Kommentar veröffentlicht, um zu zeigen, dass wir uns eine solche Art von Kommentaren auf filmschreiben.de nicht wünschen. Zu unsachlich, zu unkonstruktiv, zu unprofessionell. Wenn du dich sachlich, konstruktiv und professionell zu unseren Artikeln äußern willst, bist du herzlich eingeladen. Falls nicht, bitte ich dich, deine Kommentare zu unterlassen.

    18. August 2015

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