Die Fragen, auf die mein Film eine Antwort ist

Noch sind wir in der Vorbereitungsphase unseres Drehbuches. Wir haben uns schon viele Gedanken und Notizen gemacht und müssen jetzt mal etwas zu Papier bringen. Erst ein Exposé, mehr oder weniger ausführlich. Bevor wir das tun, sollten wir ein Kontrollmittel einschalten. Das kann zum Beispiel sein, sich die Fragen zu stellen, auf die mein Film die Antwort ist.

Warum sollte man das wissen?
Susan Sarandon hat jeden Regisseur und Autor gefragt: „Warum willst Du diesen Film machen. Und wovon handelt er? Sie glauben gar nicht, wie viele darauf keine Antwort haben…“
Das sollte einem nie passieren!
Schon damit man sich nicht von anderen sagen lassen muss, worum es geht oder gehen soll. Mit Verfolgungsjagden und Liebesszenen kann man nicht punkten.
Das nur als Vorbemerkung.

Warum ist es außerdem wichtig, sich klar zu machen, was die Fragen sind, auf die man Antworten zu geben versucht? Antworten durch seinen Film.
Ende der 60er-Jahre war dieser merkwürdige auf Texte bezogene Titel-Satz eine Formulierung von Literaturwissenschaftlern, die mit Literaturgeschichte die allgemein genannte Literaturwissenschaft provozieren wollten. Wissenschaft, die eben dazu neigt, Objektives, Gesetzliches, Überzeitliches festzustellen. Das war um 1968 auch in den Kunstwissenschaften der Trend.

Was könnte der Vorteil sein, etwas historisch zu betrachten?
Da wird es für uns Filmschaffende interessant. Insofern dass bei historischer Betrachtung automatisch der Leser, der Zuschauer, der Rezipient mitgedacht wird. Bei dieser Methodik, erfunden von dem Romanisten Hans Robert Jauß, der damit die Konstanzer Schule begründet hat, ging es nur um literarische Werke der Vergangenheit. Man sollte erforschen, wie die Situation beim Erscheinen des Werkes war. Wie waren die Leser drauf, was kannten sie bis dato, war also, wie er es nannte, ihr Erwartungshorizont?

Und was war jetzt neu? – Das Neue wurde dann zum Hauptkriterium, ob es sich um Kunst oder Unterhaltung handelte. Darüber müssen wir uns als
Filmschaffende nicht den Kopf zerbrechen und wir sollten auch nicht den falschen Ehrgeiz haben, etwas zu machen, was in 50 Jahren noch Bestand hat.
„Art can (not must) happen, when (not if) you are good enough“ sagte
Fred Astaire.

Unterhaltung benutzt Gängiges, Bekanntes und bestätigt den Zuschauer in dem, was er schon weiß und empfindet. Kunst (bitte dieses Wort in der Branche nie benutzen!) hingegen hat einen Stachel, eine Herausforderung, etwas Neues. Kunst führt zu Perspektivwechsel & Einstellungsveränderung. Ich bin ein anderer Mensch, wenn ich aus dem Kino komme. Aber auch unterhaltsame Filme können mich am Ende verändert haben…

Man sollte sich mit dem Kunstkriterium aber nicht einen falschen Anspruch aufzwingen. Gutgemachte Unterhaltung hat seinen Wer und wird gebraucht. Aber wenn ein kleines Körnchen Kunst im obigen Sinne drin ist, um so besser.

Zurück zum Thema Fragen und Antworten.
Mit Recht sagt man, dass es mit Antworten in unserer Zeit problematisch geworden ist. Wer sich heutzutage mit Sicherheit hinstellt und sagt, was sein müsste, droht sich lächerlich zu machen, sein müsste nicht in einem Einzel-fall, sondern verallgemeinerbar. Für den in Roman, Drama und Film behan-delten Einzelfall ist das manchmal durchaus möglich. Aber eine Frage, die ein Film stellt, muss immer da sein. Nicht expressiv verbis, sondern sich zeigend.
Hollywood benutzt solche Fragen gerne auf Filmplakat und in der Werbung!

Also: In jedem Film, ja in jeder Idee, steckt eine Frage.

Die sollte man sich klar machen. Unbedingt! Das ist zum Teil identisch mit der sogenannten Prämisse, auf die wir noch eingehen werden.

Jede Frage drängt nach einer Antwort. Das kann man nicht verhindern. Wenn man eine mögliche Antwort hat, ist es für das Schreiben sicher nicht schlecht. Interessant ist nur, ob man im Arbeitsprozess diese Antwort wird beibehalten können. Man sollte nicht irritiert sein, wenn sich im Fortgang des Schreibens die (frühe) Antwort als fragwürdig erweist.

Im Gegenteil, man sollte das als Zeichen nehmen, dass man auf einem gewissen Niveau arbeitet. Schreiben ist auch immer Forschungsarbeit. Beim Forschen weiß man das Ergebnis noch nicht. Aber man bekommt dabei immer etwas geschenkt – aus Erinnerung, dem Unbewussten oder weiß Gott woher.

Denn das Leben meldet sich. Hoffentlich!
Wie es Oskar Maria Graf so treffend ausgedrückt hat:
Zurechtgedachtes wird immer vom Lebendigen zerkrümelt!
Dieser Satz eines Kollegen möge Autoren in den schwierigen Phasen Ihrer Arbeit Kraft und Mut geben.

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