Kommerzkritische Saurier auf Kamikaze-Kurs

Jurassic World ist ein Film von einer trashiger Brillanz, wie sie seit Paul Verhoevens Starship Troopers (Wikipedia) nicht mehr im Blockbuster-Kino gesehen wurde. Es handelt sich um einen erstaunlichen Kamikaze-Film – ihre Botschaft ist den Filmemachern so wichtig, dass sie bereit sind, die eigene Story, die Logik und die Figuren dafür zu opfern.

Doch was ist die Botschaft?

Ganz am Anfang sehen wir im wie geschmiert laufenden Freizeitpark JURASSIC WORLD einen Parkmitarbeiter, der ein Vintage-JURASSIC PARK-Shirt trägt, das mit 22 Jahren genau so alt ist wie der Originalfilm von Steven Spielberg. Der Mitarbeiter schwärmt, das damals im originalen JURASSIC PARK noch alles echt und magisch und wundersam gewesen sei. Der neue Park sei nur auf Kommerz aus – die Saurier könnten auch gleich Markennamen erhalten und etwa Pepsisaurus heißen. Auf der Metaebene sagt uns Regisseur Colin Trevorrow: „Der Originalfilm ist unantastbar und perfekt. Diesen Film hier gibt es dagegen nur, weil wir in Hollywood Kommerzschweine sind und ihr da draußen nach immer mehr verlangt.“

Tatsächlich ist zu Beginn in beinahe jeder Sekunde die Liebe der Filmemacher zum Originalfilm zu spüren. Wir bereisen den Park, hören John Williams Musik und erleben das perfekte Jurassic Park-Feeling, das uns 1993 eingenommen hat. Ich selbst war 12 Jahre alt, als Jurassic Park im Kino lief, war verzaubert von der Magie des Films und aufgepeitscht durch seine Spannung. Jurassic World hat es tatsächlich geschafft, mich in den ersten Minuten wieder in meine Kindheit zurückzuversetzen.

Doch der Film opfert sich im Folgenden selbst für seine These. Um den Parkbesuchern mehr Sensation zu bieten, züchten die JURASSIC WORLD-Wissenschaftler einen Hybriden, der weder zu kontrollieren noch in seiner wahnwitzigen Existenz ernst zu nehmen ist. Eine Freak-Kreatur, die durch den Park flaniert und Saurier und Menschen tötet. Als „Indominus Rex“ einen Brachiosaurus tötet, der hochdramatisch in den Armen der Hauptfiguren stirbt, ist die Botschaft klar: Die Freak-Kreatur macht die magische Jurassic Park-Welt, an die wir uns gerne erinnern, zunichte. Auf der Meta-Ebene: Die Film-Welt von damals kann nicht mehr gesteigert werden, jeder Versuch, die Spielberg-Magie von einst zu toppen, kann nur zur Vernichtung dieser Magie führen.
Am Ende lässt Regisseur Trevorrow den Original-Film siegen.
Der Film bleibt dieser These treu und lässt sogar seine Figuren dahinter zurücktreten. Die zweite Hälfte von Jurassic World ist ein B-Movie, in dem jeder nur das tut, was klischierte Blockbuster-Regeln vorschreiben. Saurier kämpfen wir in Godzilla vs. Megaguirus (Wikipedia) gegeneinander. Velociraptoren verbünden sich mal mit den Menschen, mal mit anderen Sauriern. Nebenfiguren werden so leichtfertig und gleichzeitig in Gewalt schwelgend umgebracht, wie es in den 90er Jahren nur in Videotheken-Krachern aus der allerletzten Reihe nicht aber in Family-Entertainment-Hochglanzkino à la Jurassic Park üblich war.

Am Ende wird endlich der T-Rex befreit – es ist sogar der Original-Roboter aus dem ersten Film – und tötet das Freak-Wesen. Brüllend triumphiert er im Schlussbild (wie schon 1993) über die Insel. Bis dahin haben wir gesehen, wie Kino-Magie vernichtet und durch eine verrückte B-Film-Orgie ersetzt wurde. Am Ende lässt Regisseur Trevorrow den Original-Film siegen. Die Kino-Magie kehrt in Gestalt von T-Rex zurück auf die Leinwand.

Somit ist Jurassic World kein Jurassic Park-Sequel, das als direkte logische Fortführung der Original-Handlung wirklich funktioniert. Der charmante wie kluge Chaostheoretiker Ian Malcolm etwa hätte in dieser Welt und in dem klischierten Figurenensemble keinen Platz. Aber würde es Malcolm wirklich geben, würde ihm der anarchische Meta-Ansatz dieses Films sicher gut gefallen.

(Ich dagegen hätte mich trotz allen Trash-Vergnügens in JURASSIC WOLRD sehr über einen klassischen Abenteuerfilm mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren gefreut. Wenn man es richtig macht, kann man nämlich auch heute noch die Zuschauer über magische Kinowelten, in denen Saurier frei umher wandeln, zum Staunen bringen. Wann kommt endlich der Film, in dem Velociraptoren so aussehen?)

Dieser Artikel ist auch auf christoph-mathieu.de erschienen.

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