Motiviert im Videospiel

Ein Protagonist hat ein Ziel und eine Motivation, und oft auch schon eine Idee, wie er das Ziel erreichen will, einen Plan. Deswegen bezeichnen wir ihn als Protagonisten, als „Erst-Handelnden“ (Wiktionary). Ziel, Motivation und Plan ergeben sich aus Charakterisierung und Hintergrundgeschichte des Protagonisten: Es hat einen bestimmten Grund, warum er sich genau dieses Ziel gesetzt … Weiterlesen

Wie funktionieren Liebesgeschichten? – Das Erzählmuster „Die erste Liebe“

Kaum ein anderes Thema (außer Mord) ist in Romanen und Filmen so populär und erfolgreich wie die Liebe. Einer der Gründe ist, dass gut erzählte Liebesgeschichten starke Emotionen hervorrufen, indem wir uns in ihnen wiedererkennen und wiedererleben: unsere Lust und unser Leiden, unsere Sehnsüchte und unsere Bedürfnisse, unsere Ängste und unsere Verletzungen. Wir identifizieren uns … Weiterlesen

Theorie tl;dr: Über Wahrscheinlichkeit und Notwendigkeit

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute Kapitel 9 (Aufgabe des Dichters) bis 16 (Die Arten der Wiedererkennung) aus Aristoteles‘ Poetik, wie letzte Woche von William Froug angeregt. In 140 Zeichen (Was ist das?): Aristoteles: Erzählen heißt die Handlung … Weiterlesen

So geht man nicht mit Menschen um – nur mit Autoren

In einem etwas älteren Artikel in der FAZ beschreibt Markus Stromiedel seine Erfahrungen, die er als Autor mit Produktionsfirmen, Redaktionen und Verlagen gemacht hat. Kurz zusammengefasst: VerlagsautorInnen wird mit Wertschätzung begegnet –

„Herzlichen Dank, dass Sie uns Ihr Werk anvertrauen.“

– FernsehautorInnen nicht, ganz im Gegenteil:
FernsehautorInnen sind Erfüllungsgehilfen der Vorstellungen vieler Macher und Entscheider.

„Doch die negativen Erlebnisse sind symptomatisch für einen Geist, der in der Fernsehbranche herrscht und der meines Erachtens schuld daran ist, dass wir mit unserem fiktionalen Fernsehprogramm Zuschauer verlieren, schleichend, aber deutlich. Im Selbstverständnis vieler Macher und Entscheider sind Fernsehautoren Erfüllungsgehilfen ihrer eigenen konkreten Vorstellungen. Nicht das Unerwartete wird gesucht, sondern das Vertraute, das Gewohnte, zwar in stets neuem Gewand, im Kern aber gleich. Nicht Neugier und Wagemut bestimmen das Handeln, sondern der Wunsch, einen kreativen Prozess fest im Griff zu haben, von der Idee bis zum fertigen Produkt.“

Wie wohl jede Autorin und jeder Autor habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht, aber auch negative: So habe ich einmal mit einer Redaktion und zweimal mit einer Produktionsfirma gut zusammengarbeitet. Die Gespräch waren freundlich, wertschätzend und konstruktiv, in einem wurde mir ein Vertrag zugesagt. Doch plötzlich war der Kontakt weg. Keine Antwort auf meine Mails, keine Reaktion auf meine Anrufe, oder wenn ich doch einmal die entsprechende Person ans Telefon bekam, dann war sie gerade in einer Besprechung oder unterwegs oder sonstwo und wollte mich zurückrufen. Was aber nie geschah.

Wieso ist das so? Wieso wird mit AutorInnen oftmals so umgegangen (mit anderen Kreativen vielleicht auch, das weiß ich nicht, ich kenne nur die Autorenperspektive)?
„Ein Film von…“ – Von wem ist ein Film nochmal?
Vor einigen Jahren war ich auf „Tatort Eifel„, eine hervorragende Veranstaltung für Krimimacher und –macherinnen. Dort gab es eine Premiere. Nach dem Film standen ein Moderator, der Regisseur, der Redakteur, ein Schauspieler und der Autor auf der Bühne, der Autor ganz außen. Der Moderator moderierte und parlierte, stellte enthusiastisch den Regisseur vor, den Redakteur, der ständig von „meinem Film“ sprach, und den Schauspieler und wollte schon weiter im Text als ihm plötzlich einfiel, dass da ja noch jemand steht, „ach ja, und das hier…“, er schaute auf seinen Karteikarten nach einem Namen, „…das hier…“, auch auf der letzten Karteikarte keiner, „…das hier ist der Autor, gut, wo waren wir stehen geblieben, ach ja, bei dem hervorragenden Regisseur…“. Der Autor wirkte angepisst. Verständlicherweise.

Vor ein, zwei Jahren sah ich den allerersten Tatort: „Taxi nach Leipzig“. Im Vorspann steht ganz groß „Ein Film von…“ und dann kommen die Namen des Autors und des Regisseurs. Im Abspann steht ganz groß „Ein Film von…“ und dann steht dort der Name des Autors. Nicht der des Regisseurs. Was ist seit dem geschehen?

Warum werden AutorInnen manchmal gar nicht mehr erwähnt? Warum findet eine solche Fixierung auf die Regisseure statt?
Wie sehr beeinflusst der Umgang mit AuroInnen ihr Schreiben und die Qualität ihrer Drehbücher?
Und hat die geringe Wertschätzung von AutorInnen unmittelabr etwas mit der Qualität der Drehbücher zu tun? Anders gefragt: Wären Drehbücher besser, wenn anders mit AutorInnen umgegangen würde?

Auch wenn es noch viele weitere Gründe gibt, die die Qualität von Drehbüchern und das Schreiben der AutorInnen beeinflusst, scheint der Umgang mit ihnen ein wesentlicher zu sein, wenn man sich die Antwort anschaut, die die Produzentin der dänischen Serie „Borgen“ Camilla Hammerich in einem Interview auf die Frage gibt, wie wichtig die Rolle des Drehbuchautors ist:
„Alle verfolgen eine Vision, und das ist die des Autors.“

Der Autor ist das Herzstück, das innere Geheimnis des Erfolgs. Daher wird er vom Sender DR festangestellt und hat inhaltlich das letzte Wort. Alle verfolgen „eine Vision“, wie wir es nennen, und das ist die des Autors. Wir haben bei „Borgen“ alle für Adam Price gearbeitet und versucht, seine Vision umzusetzen. Das geht vor allem deshalb, weil der DR fast 90 Prozent des Budgets der Serie bestreitet. Das bedeutet, dass nur wenige Koproduzenten beteiligt sind und ganz wenige Leute Entscheidungen treffen…insgesamt ist der Autor sehr frei in seinen Entscheidungen.

Link: Emotion Rules!

We tend to remember, for a long time after, finely crafted scenes that reveal important information, but scenes that are supercharged with emotion, we remember forever. […] Supercharge your scenes with emotion, and do it often. Your story will be more memorable for it. Der ägyptische/griechische/südafrikanische/britische/australische Autor Stavros Halvatzis bloggt übers Schreiben und Erzählen: http://stavroshalvatzis.com/story-design/emotion-rules

Charakterentwicklung und Erzählintention

„Muss die Hauptfigur in einer Geschichte zwingend eine Charakterentwicklung machen?“ fragt der Drama-Blog, bezieht sich dabei auf Lucy Hays Blog Bang2Write und kommt – nachdem er einige gute Filme ohne Charakterentwicklung aufgezählt hat – zu dem Schluss: nein, eine Geschichte braucht keine Charakterentwicklung der Hauptfigur um gut zu sein. Natürlich braucht sie das nicht, genauso … Weiterlesen

Theorie tl;dr: Über Action und Counter-Action

Too long; didn’t read: Texte aus Drehbuch-, Film- und Welttheorie, kurz, knapp, bündig zusammengefasst und auf ihren Wert fürs filmschreiben hin geprüft. Heute das Kapitel „Action and Counter-Action“ aus William Frougs Screenwriting Tricks of the Trade. In 140 Zeichen (Was ist das?): Froug: Spannung entsteht zwischen der action line des Protagonisten und der counter-action line … Weiterlesen

Bedürfnis und Need

Die Begriffe „Thema“, „Ziel“, „Bedürfnis“ und „Need“ sind grundlegende dramaturgische Begriffe, die einer Geschichte und den Figuren Klarheit, Tiefe und Mehrdimensionalität verleihen – sofern man sie eindeutig definiert und nicht miteinander gleichsetzt. Denn bei „Ziel – Bedürfnis“ und „Want – Need – Mode“  handelt es sich um zwei verschiedene Modelle, und dementsprechend erfüllen die Begriffe … Weiterlesen

„Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige.“ – Voltaire

Schön gesagt. Aber wie geht das? Wie schreibt man nicht langweilig, sondern unterhaltsam? Was also ist „Unterhaltung“? Unterhaltung bedeutet, dass sich Publikum und Leserschaft an einer Geschichte beteiligen. Zwei grundlegende Formen der Beteiligung gibt es: die kognitive Beteiligung und die emotionale Beteiligung. Kognitive und emotionale Beteiligung Kognitive Beteiligung heißt, dass Publikum und Lesende keine Gelegenheit … Weiterlesen

Link: Collateral – In praise of Michael Mann’s action odyssey

It’s a movie about a city, and a movie about a couple of guys. It’s an action movie where an old man talks about Miles Davis; it’s a philosophical drama where Jamie Foxx does a Tom Cruise impression; it’s a violent melodrama where Javier Bardem delivers the line „‚Sorry‘ does not put Humpty-Dumpty back together … Weiterlesen

Das Wesen einer Geschichte – Charakterentwicklung

Was braucht man, um gute Ideen zu finden, aus guten Ideen gute Geschichten zu entwickeln und gute Geschichten gut zu erzählen? Man braucht Wissen darüber, was eine Geschichte ist, wie sie funktioniert, welche dramaturgischen Werkzeuge zu ihrer Entwicklung und Erzählung es gibt und wann man sie wie anwendet, wie Autorinnen und Autoren denken, mit welchen Methoden sie arbeiten und welche Fragen sie sich stellen.

Seit wann die Menschen Geschichten erzählen, wann also die erste Geschichte überhaupt erzählt wurde, wissen wir nicht. Die älteste schriftlich überlieferte Geschichte ist das GILGAMESCH-Epos, fast 4000 Jahre ist es alt. Es erzählt von Gilgamensch, dem tyrannischen Herrscher von Uruk, der sich auf die Suche nach Unsterblichkeit macht, auf seiner Reise jedoch keine Unsterblichkeit findet, sondern Weisheit erlangt und als gütiger Herrscher nach Uruk zurückkehrt.

Das ist natürlich eine geradezu unzulässige Superkurzzusammenfassung des Epos´. Aber es ist eine Geschichte, die wir heute im Grunde noch genauso erzählen: Jemand begibt sich auf eine Reise – das muss keine körperliche, sondern kann auch eine emotionale, mentale oder seelische seine –, auf der er Konflikte durchlebt, die ihn verändern. Am Ende der Geschichte ist er ein anderer Mensch geworden. Er ist ganz geworden. Er ist heil geworden. Geschichten erzählen von einer Heilung, einer Ganzwerdung. Die Hauptfigur ist am Anfang der Geschichte nicht im Zustand der Ganzheit, ihr fehlt etwas, sie ist verwundet, am Körper, im Geist, im Herzen, in der Seele, im Laufe der Geschichte heilt sie diese Wunde und ist am Ende wieder im ursprünglichen Seins-Zustand der Ganzheit.

Geschichten erzählen von der Heilung einer verletzten Figur.

In Little Miss Sunshine ist die Familie – es handelt sich hier um einen Plural-Protagonisten – anfangs am Arsch, es gibt keinen Zusammenhalt, Vertrauen und Liebe fehlen (die Herzfunktion ist also zerstört), am Ende ist sie wieder eine Einheit geworden, die Familienmitglieder unterstützen sich. In American Beauty ist ebenfalls das Herz des Protagonisten zerstört – er hasst seine Frau und hat den Kontakt und die Liebe zu seiner Tochter verloren -, zusätzlich ist seine Seele stark in Mitleidenschaft gezogen, er ist seiner Lebendigkeit und Authentizität beraubt. Am Ende hat er seine Vaterliebe wieder gefunden und erst sie macht ihn glücklich (wenn auch nicht lange), nicht sein Jugendwahn, sein durchtrainierter Körper, seine Drogen und sein Traumauto. Cahit ist in Gegen die Wand am Anfang ein Wrack, alkoholabhängig, depressiv, ohne Kontakt zu seinen Wurzeln, am Ende hat er sich um 180 Grad gedreht: Er trinkt nicht mehr, hat sich wieder seiner Religion zugewandt und seinen Frieden mit sich geschlossen.

Was ist mit den Geschichten, die keine Charakterentwicklung erzählen? Action, Horror beispielsweise, wobei auch hier meistens Charakterentwicklungen erzählt werden, wenn auch nur kleine, und auch wenn sie nicht der Zweck der Erzählung sind, der Grund der Filmemacher, diese Geschichte zu erzählen. Sie mögen kommerziell erfolgreich sein, aber es ist schade um die viele kreative Energie und die Unmenge an Lebensenergie, die die Beteiligten damit verschleudert haben.

Sie machen den Bock zum Gärtner, das Mittel zum Zweck, indem sie lediglich unterhalten, und das riesige Potenzial, das Geschichten haben, ungenutzt lassen: Wissen vermitteln, Traditionen bewahren, soziale Identitäten und damit Zugehörigkeit stiften, soziale Gemeinschaften konstituieren und zusammenhalten (man denke nur an die religiösen Schriften), Orientierung im Leben geben und so weiter. Das sind die Gründe, warum Geschichten erzählt werden. Unterhaltung ist nur ein Mittel, zweifelsohne ein notwendiges und ein klasse Mittel, aber eben nur ein Mittel. Die Zwecke einer Geschichte werden über die Charakterentwicklung eingelöst. Indem wir sehen, wie die Hauptfigur sich verändert, lernen wir etwas über das Menschsein, fühlen uns zugehörig, überdenken Verhaltensweisen, revidieren Wertesysteme, wissen wir, wer wir sind.

Wie sollen wir handeln? Wie leben wir richtig? Wie werden wir glücklich?

Der Ausganspunkt oder zumindest eine sehr frühe Frage, die man sich in der Stoffentwicklung stellen muss, ist also die nach der Charakterentwicklung der Figur. Damit hat man dann im Grunde automatisch die Aussage der Geschichte, die letzten Endes immer eine Antwort auf die Fragen ist: Wie sollen wir handeln? Wie leben wir richtig? Wie werden wir glücklich?

Wie erzählt man nun eine Charakterentwicklung? Wann verändern wir uns? Nicht, solange wir ungestört in unseren Komfortzonen hängen und alles irgendwie im Gleichgewicht ist und mehr oder weniger läuft. Wir verändern uns durch Konflikte, durch Konflikte, die wir so wie wir sind, also mit unserer aktuellen psychologischen, charakterlichen Disposition, nicht lösen können, die wir nur lösen können, wenn wir uns verändern.

Figuren verändern sich durch Konflikte, die sie mit ihrer gewohnten Verhaltensweise nicht lösen können.

Wenn das Zentrum einer guten Geschichte eine Charakterentwicklung ist, dann ist das Zentrum einer Charakterentwicklung ein Konflikt, der die Figur zwingt, sich zu verändern. Der die Figur, wenn sie ihn löst, ganz, heil, glücklich werden lässt.

Link: Fernsehen, eine deutsche Kulturtragödie

„Im deutschen Fernsehen läuft viel Quatsch. Das wäre nicht so schlimm, wenn der Fleiß, mit dem dieser Quatsch hergestellt wird, nicht einherginge mit der Verweigerung, große Geschichten zu erzählen. Während in den USA das Fernsehen eine Renaissance des Erzählens schafft, wird die deutsche Gegenwart tagein, tagaus durch Kommissare erzählt, die auf eine jeweils regionale Wasserleiche … Weiterlesen